ET09 Ein Tempel für Eisentann 2

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Briefspiel
Ein Tempel für Eisentann 2
Region: Ysilien
Ort: Junkertum Eisentann
Zeitraum: 1043 BF
Beteiligt: Cendrasch Sohn des Chrysoprax
Kapitel:


Eine Heimstatt für den Vater von Feuer und Stahl

ODER: Ein Tempel für Eisentann, Teil 2


Wehrdorf Waidbruch im Junkergut Eisentann, Anfang Ingerimm 1043 BF

"Konstrukteur des Weltenmechanismus, Allmächtiger Baumeister der Welt, Vater von Feuer und Stahl- dies soll deine Heimstatt werden, ein Hort für alle wahrhaft Gläubigen, ein Licht der Hoffnung gegen den zur Realität gewordenen Albtraum aus den Niederhöllen- die Stadt, die sich deiner Herrlichkeit durch ihre bloße Existenz zu trotzen erdreistet. Ich gelobe dir nicht zu weichen, deinen Tempel und die Grenze Tobriens mit meinem Leben zu verteidigen, wenn du bereit bist diesen Boden als den deinen anzuerkennen und zu segnen, auf dass unter ihm das pervertierte Metall- die Insignien deines Widersachers sicher verwahrt werden können. Ich bitte dich um all dies in der Gewissheit, dass nicht nur die Menschen im Geiste, wie am Leibe heilen müssen, sondern dass das Land es ebenfalls muss. Dafür ist es unerläßlich, dass es gereinigt wird von allen schändlichen Überresten der dunklen Lande. Dies ist meine tiefe, innere Überzeugung und die Aufgabe, die du mir auferlegt hast und diese erkenne ich ohne Widerspruch, nein im Gegenteil- voller Stolz an. Ich bin der deine Allvater."

Cendrasch kniete vor der Statuette Ingerimms, den er in seinem, zwergischen Selbstverständnis als Allvater der Angroschim anbetete. Die Augen geschlossen, den Kopf gesenkt, sprach der ehemalige Soldat und Hauptmann der Fürstlichen Hellebardiere mit klarer, energischer Stimme in der Zunge der Menschen, so dass diese ihn verstehen konnte, denn seine Worte waren auch für ihre Ohren bestimmt- waren ein Bekenntnis, ein Versprechen dafür, dass ihre Mühen nicht umsonst seien würden.

Hinter dem Junker im Altarraum des Steinbaus, welcher der Tempel von Eisentann werden sollte, standen eine Reihe von Menschen, allesamt Gäste, die zur bevorstehenden Einsegnung des Tempels angereist waren, ganz so wie es bereits im Perainemond- beim Besuch der Delegation der Ingerimmkirche angesetzt worden war. Der Junker hatte seinen Teil der Abmachung erfüllt. Unter ihrer aller Füsse war ein Kellerraum entstanden, welcher die Koschbasaltkammer aufgenommen hatte, die zuvor unterhalb der Hochmotte gelegen war. Eine einfache, eisenbeschlagene Falltür aus massiven Holzbohlen war vor dem Altar zu erkennen, dort wo sich der Treppenabgang befand.

Der würzige und durch seinen starken harzigen Geruch sehr eindringliche Duft der glimmenden Tannenzweige in den eisernen Feuerschalen durchdrang die Gedanken des Legaten der Ingerimmkirche im Zwölfgöttlichen Konzil wider die Finsternis zu Perainefurten. Seine Hochwürden Ignatzius Darbelstein hatte sich auf den Weg nach Eisentann gemacht, nachdem ihm seine Tochter und Prolegatin, Zelda Darbelstein, von ihrem Besuch und ihren Eindrücken rund um Eisentann berichtet hatte. Er stand links neben dem Altar. Er trug die schwere lederne Schürze, welche er damals bei seiner Weihe zum Hochgeweihten des Mendener Tempels erhalten hatte. Eine schwere Schürze, deren feine Stickarbeiten der damaligen Handwerksmeisterin wohl viel Arbeiten gemacht hatte und die von seiner Erhabenheit, dem damaligen Hüter der Flamme, Hilperton Asgareol, gesegnet worden war. Damals wusste Ignatzius noch nicht, dass ihn diese Schürze durch die schwersten und dunkelsten Zeiten begleiten sollte. Bei diesem Gedanken umklammerte er seinen rituellen Hammer um so fester. Seine ergrauten Haare trug er zu einem Zopf nach hinten gebunden. Zu einem Zopf war ebenso sein grauer brustlanger Bart gebunden. Er schätzte es, seinen Bart nach zwergischer Tradition zu tragen. Allgemein hegte er eine sehr große Verbundenheit mit dem von Ingerimm auserwählten Volk der Angroschim. Ein Eindruck, der ihm nach einem langen Gespräch mit dem örtlichen Junker Cendrasch bestätigt worden war.

Rechts vom Altar stand Gedeon Tannbruck. Als er das letzte Mal in Eisentann gewesen war, hatte er noch die Tracht eines Lehrlings des Ingerimm getragen. War noch Novize gewesen. Vor kurzer Zeit wurde er nach seinem Noviziat zum Gesellen des Ingerimm erhoben und von seiner Hochwürden Darbelstein geweiht. Ein denkwürdiger Augenblick. Als Novize spürt man durchaus die Kraft und die Macht seines Gottes. Aber die Verbundenheit und die Kraft hatte sich seit seiner Weihe deutlich gesteigert. Ein erhebendes Gefühl, welches nur noch dadurch gesteigert wurde, dass er direkt mit einer wichtigen Aufgabe betraut wurde. Nach der Tempelweihe sollte er hier als erster Priester des roten Gottes seinen Dienst versehen und ein wachsames Auge auf das Unmetall haben, welches zukünftig unter seinen Füßen im Tempel aufbewahrt werden soll, bevor es weiter geschafft und endgültig vernichtet werden soll. Er blickte erneut in die Runde der anwesenden Gäste und spähte in Richtung der Prolegatin Zelda Darbelstein mit welcher er vor einigen Monden hier gewesen ist. Er erinnerte sich zum einen an den großen Durst der Prolegatin, welcher die Bierfässer des Junkers strapaziert hatte. Am nächsten Morgen war es aber kein Werwolf, welcher in den Köpfen der Prolegatin und ihm umging, sondern die düsteren und entsetzlichen Träume, welche vom unheiligen Metall des Widersachers des feurigen Herrn ausging. Träume welche er nie vergessen würde und die ihn in seiner Meinung bestärkten, dass der Weg, den man heute beginnen würde, der absolut richtige sein würde.

Zelda Darbelstein nahm am anderen Ende des Altarraums den Blick von Gedeon Tannbruck auf. Als Akkoluthin, also als nicht geweihte Dienerin des Herrn, konnte sie die Weihe des Tempels nicht selber vornehmen und ihr Vater legte auch großen Wert darauf, die Weihe selbst vorzunehmen. So reisten sie also gemeinsam nach Eisentann. Ihr Vater blieb die Reise über recht schweigsam und blickte hin und wieder nachdenklich über Hügel, Strauch und Wald. So als ob er etwas suchte oder sich an irgendetwas zu erinnern schien. Am Vorabend ihrer Ankunft teilte er ihr seine offenkundigen Sorgen mit. “Zelda, auch wenn alles friedlich aussehen mag und sich der eine oder andere in Perainefurten, oder sonstwo in Tobrien zurücklehnen möchte, weil der Feind vermeintlich geschlagen ist, ich sage Dir: Der Frieden ist noch lange nicht endgültig eingekehrt. Das Böse ist nicht fort. Wir müssen wachsam bleiben. Wir dürfen unsere Augen nicht verschließen. Das alte Ysilia ist uns ein stetes Mahnmal vor Augen. Hier triumphiert der Feind noch immer und streckt lachend sein Haupt über das Land. Wir sind keine Pessimisten, aber Mahner.” Darum wollte ihr Vater selbst nach Eisentann reisen. Er wollte sich selbst ein Bild vom Land machen. Eisentann war erst der Beginn einer längeren Rundreise.

Der Junker öffnete die Augen und erhob sich. Von seiner Seite war nun alles gesagt. Ohnehin war er kein Mann großer Worte, hatte in seinem bisherigen Leben zumeist Taten für sich sprechen lassen. Sein zuvor gesprochenes Bekenntnis, das Versprechen, hatte Cendrasch daher niedergeschrieben und verinnerlicht, denn es erfüllte einen bedeutenden Zweck. Es war dazu gedacht seine Hochwürden Ignatzius Darbelstein von seiner geistigen Festigkeit, seinem tiefen, aufrichtigen Glauben zu überzeugen. Unzählige Stunden hatte er dafür aufgebracht sich die Worte zurechtzulegen, nun hoffte er, dass sie auch Anklang gefunden hatten und der Hochgeweihte zur Tat schreiten würde. Gemessenen Schrittes trat der Junker zwei Schritte, hinter die imaginäre Linie seiner Gäste zurück und nickte den Geweihten und der Prolegatin nacheinander zu. Wie abgesprochen knieten sich nun alle weiteren Anwesenden im Allerheiligsten nieder. Zu ihnen gehören Gorm und Groth, die Söhne des Grimmgax- Cendraschs engste Vertraute. Des Weiteren waren Kolon, Sohn des Kodnan, Killibrim, Sohn des Karax und natürlich der Schmied Atosch, Sohn des Argom gekommen. Als Vertreter Waidbruchs waren weitere vier, menschliche Gäste zugegen, darunter der Dorfälteste. Sie alle knieten nieder und der Junker tat es ihnen gleich. Gebannte Stille kehrte ein und erwartungsvoll blickten alle Dorfbewohner zu der Abordnung der Ingerimmkirche. Der Moment, auf den sie alle schon so lange gehofft hatten, stand nun hoffentlich unmittelbar bevor. Ignatzius Darbelstein nickte Gedeon Tannbruck und einem weiteren angereisten Geweihten zu. Beide - ebenfalls in rituelle Gewänd gekleidet - nahmen links und rechts neben dem Legaten vor der Heiligen Esse Platz. Die Esse war noch in den Raum integriert worden, handelt es sich bei dieser, neben dem rechts von ihr aufgestellten Amboß, doch um ein wesentliches Element in einem jedem Tempel. Über der Esse war ein Abzug in das Dach eingebaut worden. Die Ingerimmstatue stand leicht versetzt links neben der Esse, so dass alle Drei - Amboss, Esse und Statue - eine stimmige optische Einheit bildeten. “Oh Himmlischer Schmied, Ingerimm unser Herr! Im Namen der Flamme und des Erzes, im Namen der unfehlbaren Alveraniare und der Heiligen, Ingerimm mein Herr! Wir stehen heute vor Dir um dieses Haus zu Deinem Haus und zu Deiner Werkstatt zu machen. Wir erbitten Dein Wohlwollen und Deinen Segen für das Haus und seine zukünftige Bestimmung. Leite, oh Meister allen Schaffens uns, Deine Lehrlinge bei dieser Zeremonie an, auf das Dein Segen auf diesem Haus ruhen mag.” In der Esse lagen auf der Kohle reichlich Tannenzweige verteilt. Ignatzius Darbelstein verteilte darauf einige Brocken Harz. Dann entzündete er die Zweige. Hell loderten diese auf und Qualm machte sich recht rasch breit, welcher durch den Duft des Harzes erfüllt wurde. Unablässig sprachen die drei Geweihten Gebete und reckten dabei die rituellen Schmiedehämmer direkt in das immer weiter um sich greifende Feuer, so dass man Sorge haben musste, dass sie sich die Hände versengen würden. Nachdem das Feuer auf die Kohle übergegriffen hatte, verbreitete sich in dem gut gefüllten Raum eine starke Wärme. Bald schon standen den ersten die Schweißperlen auf der Stirn. Ignatzius Darbelstein nahm einen am Rande der Esse liegenden geschmiedeten Miniatur-Hammer und warf ihn in die Mitte der mittlerweile glühenden Esse. Nach kurzer Zeit ging ein rot-goldenes Leuchten durch die Kohle. Darbelstein stand mit weit geöffneten Augen vor dem Feuer und blickte direkt hinein. Seite Lippen murmelten unablässig Worte und dicke Schweißperlen rollten seine Wangen entlang, ehe sie im Bart des Geweihten verschwanden. Dann begannen die drei Geweihten mit ihrem Schmiedewerk. Es sollten nun die heiligen Zeichen in den Amboss geschlagen werden, welche diesen und damit den Tempel endgültig weihen sollten. Ignatzius Darbelstein hatte Cendrasch erklärt, dass dies der entscheidende Moment sei. Wenn nach fast getaner Arbeit der letzte und entscheidende Schlag auf den Amboß niederfährt, dann züngelt für kurze Zeit eine makellose Flamme aus der Esse. Das “Imgerimmsfeuer”, wie diese Flamme genannt wird - verweilt kurz, leicht schwebend über dem Mittelpunkt der Esse, um diese dann endgültig zu entzünden und mit dem daraus entstehenden ewigen Feuer zu weihen. Dann erst liege der Segen auf dem Haus, welches von nun an Sein Haus und seine Werkstatt sein soll. Für diese Arbeit wurden zeremonielle Werkzeuge verwendet, welche die Geweihten aus Perainefurten mitgebracht hatten. Abwechselnd schlugen die drei Diener des Ingerimm mit mächtigen Schlägen auf die Meißel ein, welche feurige Male im Amboss hinterließen. Fast hätte man sie für normale Schmiede halten können, wären da nicht die rituellen, gleichförmigen Gesänge gewesen. Stunde um Stunde verging. Immer wieder wurde das Feuer neu entfacht und neue Kohlen zum glühen gebracht. Rauch und Hitze machten dem einen oder anderen der Anwesenden zu schaffen. Einzig die anwesenden Angroschim standen hiervon unberührt ernst und andächtig im Raume. Das Ende der Zeremonie näherte sich. Die hellen metallischen Schläge wurden weniger und leiser, hallten aber dennoch in den Köpfen nach. Gereon und der andere Geweihte traten - schweißgebadet - zurück. “Oh Himmlischer Schmied, Ingerimm unser Herr! Das Werk zu Deinen Ehren ist nun fast vollbracht. Senke Deinen gestrengen Blick auf diese Arbeit und urteile gerecht über unser Werk!” Nach diesen Worten holte der Legat noch einmal weit aus und ließ seinen Ritualhammer mit großem Schwung auf den Amboß herunterfahren. Ein letztes Mal stoben zahlreiche Funken und ein letzter heller metallischer Klang erfüllte den Raum.

Zelda Darbelstein blickte mit gespannter Neugierde auf die Esse. Sie hatte diese Handlung zum ersten Mal selbst miterlebt. Sie hatte ihren Vater schon oft bei liturgischen Handlungen beobachtet oder begleitet, aber eine Tempelweihe war ihr auch nach all den Jahren neu und auch für ihren Vater war es erst die zweite oder dritte in all seinen Jahren als Geweihter.

Ignatzius schloss die Augen und wollte die zu erwartende Präsenz seines Gottes ungetrübt von äußerlichen Eindrücken erleben. Sein rechter Arm schmerzte noch leicht, denn er hatte seine letzte Kraft in diesen alles entscheidenden Schlag gelegt. Es schien, als ob für einen winzigen Moment alles ganz still sei. Nur das in seinen Ohren noch immer widerhallende Geräusch der Amboß-Schläge war zu hören. Dann spürte er es.

Gereon starrte gebannt auf die Esse. Die Kohle war aufgrund der starken Hitze eine einzig rotglühende Masse. Er atmete schwer aufgrund der anstrengenden Arbeit. Aber er fühlte sich gut und leicht. Dann sah er sie. Eine makellose Flamme erhob sich über dem Mittelpunkt der Esse. Rein und makellos. Ein besonderes Strahlen ging von ihr aus. Es ging ein Raunen durch die Anwesenden. Er fühlte sich zutiefst beglückt durch diese Flamme. All der Schmerz, die Verzweiflung und die schlimmen Erinnerungen der letzten Götterläufe waren wie weggeblasen, oder besser gesagt wie weggebrannt. Eine Zuversicht, wie er sie nur bei seiner Weihe verspürt hatte, machte sich in ihm breit. Er blickte zum Legaten herüber, welcher die Augen geschlossen hatte. Er wunderte sich, dass er die Augen verschloss, aber auch auf dem Gesicht des Legaten machte sich dieselbe Zuversicht breit wie bei ihm. Dann verschwand die Flamme abwärts in der Essen und Flammen züngelten aus dieser empor, welche - so das Ziel dieses Rituals - nie wieder verlöschen sollten. Ingerimm hatte dieses Haus als sein Haus und seine Werkstatt anerkannt. Aber nicht nur der Herr des Feuers hatte eine neue Heimstatt gefunden, sondern er - Gereon - auch.

Die versammelte Gläubigen im Allerheiligsten erhoben sich mit schmerzenden Gliedern, als der Junker es tat. Stundenlang hatten sie ehrfürchtig in kniender Position verharrt, während der Weihe. Doch jedwede daraus resultierende Qual war selbst für die älteren unter ihnen längst vergessen, denn jener Funken, jener göttliche Hauch, der im Moment über dem Haus- dem Tempel lag konnte jeder spüren und er erfüllte ihre Herzen. Ingerimm hatte seine Diener erhört. Im Halbkreis versammelten sich Menschen und Zwerge um Esse, Amboss und Statue. Viele hatten Tränen der Rührung in den Augen, so auch der Junker. Hoffnung war in ihre Gesichter geschrieben. Für sie war ein wichtiger Schritt vollendet. Auf Speckfelden, auf Waidbruch- gelegen an Grenze zu Schwarztobrien, lag wieder der Blick zumindest von einem der Zwölfgötter. Wo so lange Angst und Dunkelheit herrschte, würde nun das ewige Feuer des Roten Gottes brennen und ein jeder würde dafür Sorge tragen, dass es niemals erlöschen würde. Cendrasch fiel erneut auf die Knie, diesmal jedoch nicht vor dem Altar, sondern vor Ignatzius Darbelstein. Nicht imstande seine Dankbarkeit in diesem Moment in Worte zu fassen, ergriff der Zwerg die Rechte des Hochgeweihten und küsste die Hand, die in groben Arbeitshandschuhen steckten. Ein Traum hatte sich erfüllt.

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