ET05 Braumeister gesucht 2

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Briefspiel
Braumeister gesucht, Teil 2
Region: Ysilien
Ort: Junkertum Eisentann und Baronie Quellsprung
Zeitraum: 1043 BF
Beteiligt: Cendrasch Sohn des Chrysoprax
Kapitel:

Die Reise nach Quellensprung, Mitte Rondra
Einige Wochen nachdem die Gäste aus Waidbruch aufgebrochen waren, machte sich der Junker auf den Weg ihnen einen Gegenbesuch abzustatten, so wie es ausgemacht worden war. Cendrasch hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Antwort auf seinen Brief erhalten und ging so zumindest im übertragenen Sinne nicht mit leeren Händen auf die Reise. Nach Quellensprung begleiteten den Junker von Eisentann zwei seiner Waffenbrüder aus Zeiten, da er noch als Hauptmann des zweiten Banners der Fürstlichen Hellebardiere, der Orkentrutz gedient hatte. Das Zwillingspaar Gorm und Groth, Söhne des Grimmgax, mit geschulterten Doppeläxten, waren stets an der Seite ihres ehemaligen Hauptmanns. Doch sie waren nicht die einzigen, die mit Cendraschs auf die Reise gingen. Hammer und Amboß, zwei Wehrheimer Bluthunde, die der Junker bereits kurz nach seiner Belehnung erworben hatte, begleiteten ihn ebenfalls. Cendrasch schätzte die Tiere vor allem in jenen Momenten, da er durch die tiefen Wälder Eisentanns marschierte, oder gezwungen war unter freiem Himmel zu nächtigen. Nichts und Niemand konnte sich ihnen nähern, ohne dass die beiden Bluthunde davon Wind bekamen. Und wen sie nicht witterten, den hörten sie und schlugen an. Das Wetter entlang ihrer Route gestaltete sich als dem Mond entsprechend recht milde. Es war Mitte Rondra, da Angroschim und Hunde die gut acht Tage mit Wandern verbrachten und sich dabei von Dörfern fernhielten. Cendrasch wollte so wenig Aufsehen erregen wie nur irgend möglich. Ihr Ziel, der Ort Hagensmoor in Quellensprung erreichten die Zwerge am frühen Morgen. Cendrasch hatte an jenem Tag das Lager schon vor Sonnenaufgang abbrechen lasse, da die Hunde in der Nacht immer wieder angeschlagen hatten, weil neugierige Wölfe den Schlafenden zu nahe gekommen waren. Es war der elfte Tag des Rondra. An sich kein besonderer Tag, doch es schien ihnen schon unterwegs, als wäre die gesamte Baronie auf den Beinen. Hagensmoor an sich hatte nicht viel zu bieten. Die kleine Burg derer zu Hagensmoor und ein Gasthaus, das Fiedlers Grün, waren schon alles. Offenbar lebten die Bewohner hier fast ausschließlich von der Arbeit auf der Burg und dem Gut des Vogts. “Willkommen in Hagensmoor.” Vor den Reisenden stand eine großgewachsene blonde Frau deren wettergegerbtes Gesicht und zahlreichen Tätowierungen in einem krassen Gegensatz zu der gelborangenen Robe einer Traviageweihten standen. “Mein Name ist Fiana Swafnansdottir. Ich heiße euch im Namen Travias herzlich willkommen. Darf ich euch auf einen Willkommenstrunk einladen und im Gegenzug erzählt ihr mir was euch nach Hagensmoor führt? Wollt ihr euch eines der Möwengelage anschauen? Oder gar selbst daran teilnehmen?” Fiana lachte über ihren Scherz und wandte ihre Schritte gen Gasthaus. Mit einer einladenden Geste bedeutete sie den Neuankömmlingen ihr zu folgen.

Etwas verdattert blickte Cendrasch im Gehen nach links und rechts zu seinen beiden Begleitern, die die Bluthunde an kurzen Leinen führten, seitdem sie in Hagensmoor waren. Hammer und Amboß waren so viele Menschen nicht gewohnt und daher etwas nervös. Gorm und Groth jedoch zuckten nur mit den Schultern, was dem Junker wenig weiterhalf. “Die gütige Mutter zum Gruße”, ergriff er daher kurzerhand das Wort. “Mein Name ist Cendrasch. Ich bin der Sohn des Chrysoprax und die schweigsamen Waffenbrüder an meiner Seite sind die Söhne des Grimmgax, Gorm und Groth”, stellte der Junker sie erst einmal vor. Man sollte ihm schließlich nicht nachsagen er besäße keine Manieren. “Wir kommen aus Eisentann und wollen zu Kendrick von Hagensmoor. Ich habe Nachricht für ihn. Doch das kann warten. Ich habe lange im Kosch gelebt und achte die Gastfreundschaft eurer Göttin daher sehr. Ich weiß zwar nicht was ein… Möwengelage ist, aber ich hoffe ihr werdet es uns erklären. Gern nehmen wir eure Einladung an eure Gnaden.”

Fiana ging mit langen Schritten voraus. Das “Fiedlers Grün” empfing die Gäste mit einem einladenden Duft. Eine Mischung aus Bier, angebratenem Fleisch und frischen Kräutern. In der Schankstube standen mehrere runde Tische mit jeweils 4 Stühlen. Die einzige Ausnahme davon war eine längere Tafel am hinteren Ende des Raumes. Die Traviageweihte ging zielstrebig auf den Tisch zu, der der Feuerstelle am nächsten war. Dort brannte ein gemütliches kleines Feuer. Nicht, dass die Temperaturen es erfordert hätten, aber ein Feuer erzeugte immer eine gewisse Gemütlichkeit, die sich durchaus in klingende Münze umrechnen ließ. “Kanne,” Fiana rief dem Wirt die Bestellung fast im Vorbeigehen zu. “Bring uns vier große Krüge Bier und für etwas Brannt.” “Für dich wie immer zwei Doppelte?” “Ja. Und zwar in einem Becher!” Letzteres Frage-Antwort-Spiel, war ganz offenbar ein kleines Ritual zwischen der Traviageweihten und dem Wirt. “Nun meine Freunde. Auf euer Wohl und ein schönes Fest.” Nachdem Fiana den Brannt zur Gänze und den Krug Bier zur Hälfte geleert hatte, lehnte sie sich wohlig zurück. Nicht ohne dem Wirt ein Zeichen für eine weitere Runde zu geben. “Ich sehe euch ein wenig ratlos. Offenbar seid ihr doch nicht wegen der Feiern hierher gekommen. Aber sei’s drum. Ich erkläre euch die Lage gerne. Und danach erzählt ihr mir dafür welcher Wind euch tatsächlich hergetrieben hat. Doch nun zu den Feierlichkeiten: Das Möwengelage ist ein traditionelles Fest. Es findet in jedem der Küstenorte am gleichen Tag des Jahres statt. Immer am zwölften Tage des Rondramondes. Am Tage vor dem Fest bestimmt das Los denjenigen jungen Mann, der ohne Hilfsmittel eine Möwe fangen muss. Diese wird dann über Nacht dann in ein kleines Fass gesperrt. Zum Fest wird dann dieses Fass an einem aufgehangen und die jungen Männer des Ortes müssen nun nacheinander mit einem Knüppel auf das schwankende Fass einschlagen. Derjenige, unter dessen Schlag das Fass letztendlich zerbricht und der bemitleidenswerten Möwe die Freiheit wiedergibt, darf sich dann auf Jahresfrist Herr der Möwen nennen. Und...” sie lächelte süffisant und fuhr nach einem ordentlichen Schluck Bier fort. “...erschwert wird das Spiel dadurch, dass den Jungen die Augen verbunden werden und die Mädchen des Dorfes Anweisungen brüllen wohin er zu schlagen hat. Wobei jede Maid ihren eigenen Favoriten unterstützt aber dessen Konkurrenten die Irre zu führen versucht.” Mit einem respektablen Rülpser beendete die Traviageweihte ihre Erzählung. “So, Jungs. Jetzt erzählt mal was ihr so treibt und wie ich euch helfen kann? Noch was zu trinken?”

Wiederum leicht verdattert, wusste Cendrasch nicht sogleich was er der Geweihten antworten sollte, die auf ihn durch ihr offenes Verhalten sehr wohl symphatisch wirke. Dieses Fest aber, das seltsame Spiel rund um eine Möwe im Fass von dem sie ihnen erzählt hatte… die Idee war so… absurd. Oder war sie es nur für ihn als angehöriger einer anderen Rasse? Er war einiges gewohnt aus dem Kosch. Die Groscha- Fort- Brumborim, oder in der menschlichen Übersetzung die ‘Kinder des Friedens’ kannten ebenfalls viele Feste und vor allem viele Vorwände um zu feiern. Ein Möwengelage jedoch kannten sie nicht... Der Junker schüttelte abwesend den Kopf. Kurz musste er sich sammeln. “Gern”, war das erste, was er hervorbrachte. “Gerne trinken wir noch eine Runde mit euch.” Cendrasch räusperte sich. Fiana indes schüttete ihnen nach. “Also”, setzte der Angroscho dann erneut, wie bereits bei ihrem Kennenlernen zu einer Erklärung an. “Wir kommen aus Waidbruch. Das ist ein Wehrdorf im Junkergut Eisentann und liegt in der Baronie Speckfelden nah der Grenze zu Schwarztobrien.” Kurz ließ er die Worte wirken. Sie hatten eine beträchtliche Strecke hinter sich gebracht. “Ich möchte mit Kendrick von Hagensmoor sprechen. Er kam vor einiger Zeit mit einer Bitte zu mir und ich möchte ihm nun meine Aufwartung machen. Könnt ihr uns zu ihm bringen, oder uns eine Unterkunft empfehlen und ihn benachrichtigen lassen?”

“Das lässt sich sicherlich einrichten. Wenn auch… wir uns erst einmal stärken müssen.” Mit wenigen Handbewegungen in Richtung Tresen gab Fiana offenbar eine weitere Bestellung auf. Und nur wenige Augenblicke später kam der Wirt mit einem großen Brett auf dem allerlei Speisen drapiert waren. Die Angroschim entdeckten verschiedene Sorten Wurst, Schinken, Käse und Äpfel, die bereits in Spalten geschnitten waren, sowie ein paar Scheiben kalten Braten. Ein Korb mit Brot durfte natürlich auch nicht fehlen. Mittlerweile hatten sich noch ein paar Dorfbewohner in der Schänke eingefunden, die unverhohlen die Neuankömmlinge musterten. Zwei mutige kleine Mädchen näherten sich dabei zaghaft den Hunden. “Kanne.” Das war offenbar der Name des Wirts. Ein passender Name für den recht fülligen Mann. “Tu uns doch den Gefallen und schicke nach dem Vogt. Er hat Besuch aus…” Sie blickte fragend zu Cendrasch, doch dann fiel es ihr von selbst wieder ein. “...aus Speckfelden.” Zwischenzeitlich hatte die Wirtin den Kinder eine Schale mit Wasser und einen Napf mit Fleischresten in die Hände gedrückt und nun schlichen die Kinder vorsichtig und auf allen Vieren zu den Hunden.

Unweigerlich lächelte Cendrasch, als er zu den Kindern blickte, die sich den beiden Bluthunden mit gehörigem Respekt näherten. “Keine Sorge, die beiden sind gut erzogen”, sagte er im gutmütigen Ton. “Solange ihr sie nicht ärgert, tun sie es mit euch auch nicht. Sie heißen Hammer und Amboß.” Bei der Nennung des jeweiligen Namens deutete der Junker auf das jeweilige Tier, welche zu Füßen seiner beiden Gefährten lagen. Was Cendrasch so sicher machte, dass die Hunde ruhig bleiben würden war, dass sie angeleint waren. Die Bluthunde waren gut erzogen und wurden erst gefährlich, wenn sie von der Leine gelassen wurden. Bellen ja, beißen nein, hatte man es ihm erklärt und so war es auch. Erst, als Hammer und Amboß sich gierig dem Inhalt der Schalen widmeten und dabei von den Kindern gestreichelt wurden blickte Cendrasch auf und sah wieder zu der Geweihten. “Ich bedanke mich erneut für eure Gastfreundschaft”, sagte er mit einem kurzen Blick auf das, was inzwischen auf dem Tisch stand. Die Zwillinge Gorm und Groth trugen indes ein breites Grinsen zur Schau. Die Aussicht auf ein derart üppiges Mahl freute sie offenbar. Sie hielten sich aber noch zurück und warteten auf Cendrasch. Dieser schien jedoch für den Moment unschlüssig, ob er zugreifen sollte, oder ob die Etikette es wollte, dass er der Geweihten die Möglichkeit gab Worte des Dankes an ihre Göttin zu richten. Dies war nicht der Kosch, wo man vieles nicht so eng sah und Sitten und Bräuche mochten hier einfach anders sein. “Euer Gnaden”, sagte er daher nach kurzer Pause respektvoll und dabei dennoch leicht verunsichert. “Wollt ihr noch ein Tischgebet sprechen”?

“Travia, Hüterin von Heim und Herd, zu dir beten wir um Wärme in der Stube, Friede auf den Strassen und Friede in den Heimen. Wir wollen deine Gebote achten, auf dass die Häuser aller Treuen, warm erblüh'n und Ruhe spenden. Keiner soll heut' Nacht auf fremden Strassen wandern, keiner vor verschloss'nen Türen steh'n. Deine Wärme, deine Treue, soll'n jetzt einziehen in die Häuser und wohl nimmer weichen. Das wohl! Lasst euch schmecken.” Irgendwie hatten die drei Gäste etwas anderes erwartet, doch die Geweihte schien immer wieder für eine Überraschung gut zu sein. Ein von den Zwergen ausgerufenes, "so möge es sein", erklang. Danach prostete man sich noch einmal zu und dann ließ sich keiner mehr lange bitten. Die Gäste hatten großen Hunger.

“Ich sehe Fiana hat sich schon gut um euch gekümmert.” Niemand hatte Kendrick von Hagensmoor den Schankraum betreten sehen, denn er kam mit Krug und Teller gewappnet direkt aus der Küche. Offenbar hatte der Vogt den Hintereingang benutzt. Mit dem linken Fuß zog er sich einen Stuhl an den Tisch, stellte Krug und Teller ab und klopfte zur Begrüßung mit den Knöcheln der rechten Faust zweimal kurz auf den Tisch. “Travia mit euch und einen gesegneten Appetit wünsche ich. “Hm, Kanne! Sag deiner Frau der Braten ist mal wieder eine Wucht. Wenn du ihrer überdrüssig wirst, dann lass es mich wissen. Ich nehme sie sofort mit auf die Burg.” “Nix da hoher Herr.” konnten sie umgehend eine weibliche Stimme aus der Küche hören. Wobei das ‘hoher Herr’ einen leicht spöttischen Unterton mit sich führte. “Wenn hier einer mal übrig ist, dann mein Nichtsnutz von Gatte. Den könnt ihr dann allerdings gerne mit zu euch auf die Burg nehmen. Als Drehkerl könnte er sich wohl noch eignen. Denn sich nutzlos im Kreise drehen beherrscht er auch mit geschlossenen Augen.” Der so Verhöhnte zog den Kopf in den Nacken und verschwand mit einer genuschelten Entschuldigung. Man hörte nur “‘tschuldigung… Stine… falscher Fuß… Verzeihung.” Und schon war der Mann verschwunden.

Nach dieser für die Zwerge leicht befremdlichen Darstellung der ‘Niederungen’ eines menschlichen Taviabundes nutzte Cendrasch die Gelegenheit den Vogt gebührend und respektvoll zu begrüßen. Auf den Grund des Besuchs kam der Junker derweil noch nicht zu sprechen, da er nicht wusste, ob ihr Gastgeber für dieses Thema nicht eine persönlichere Atmosphäre bevorzugen würde.

Der Rest des Abends verging wie im Fluge. Man tauschte sich über die Reise aus und was so rechts und links des Weges in Tobrien vor sich ging. Und natürlich wollten die Gäste mehr über dieses Möwengelage wissen. Lediglich als es darum ging, dass die Kinder so langsam in die Betten sollten, wurde es für einen Moment kritisch, denn die beiden bewiesen wahren Heldenmut als es darum ging ihren Eltern zu entgehen und sie tanzten eng um die Hunde herum, so dass Hammer und Amboß stets zwischen ihnen und den Erwachsenen blieben. Erst als Fiana aufstand und beide Rebellen am Kragen in die Höhe hob, die Beine strampelten dabei einen halben Schritt über dem Boden, kehrte Friede ein. Und man sah Cendrasch die Erleichterung an, denn die Hunde waren kurz davor gewesen dem Treiben auf ihre Art ein Ende zu bereiten. Fiana übergab die beiden Kinder, was beide mit einem finsteren Blick in Richtung Geweihte honorierten. “Nun ihr Herren, ich verabschiede mich ebenfalls. Ich wünsche eine gute Nacht und vielleicht sehen wir uns ja morgen zu einem kleinen Frühschoppen?!” “Daraus wird wohl leider nichts, meine Liebe. Ich werde unsere Gäste morgen nach Zibbenwinkel begleiten, um dort das Möwengelage zu feiern. Außerdem haben wir ja vor Ort auch noch etwas geschäftliches zu klären.” Mit einem Augenzwinkern blickte Kendrick hinüber zu Cendrasch. “Ach ja,” Fiana schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf. “Der Braumeister. Wie konnte ich so etwas wichtiges nur vergessen?” Der Junker indes bejahte die Feststellung Fianas mit einem Kopfnicken. “Habt Dank für den schönen Abend, sowie Speis und Trank. Seid versichert, dass ihr mir in Eisentann stets ein willkommener Gast sein werdet”, verabschiedete sich Cendrasch daraufhin bei der Geweihten. Der Angroscho lächelte zufrieden. Einen so feuchtfröhlichen Abend hatte er lange nicht mehr erlebt. In Waidbruch, so nah an der Grenze zu Schwarztobrien, war die Bedrohung zu allgegenwärtig, als das man auch nur an derlei Vergnüglichkeit dachte. Satt, sichtlich angetrunken und mit der notwendigen Schwere gingen die drei Zwerge in die ihnen zugeteilten, wenn auch bedeutend zu großen Betten an jenem Abend. Bei Cendrasch mischte sich zu alledem allerdings auch die Sorge, dass in seiner Abwesenheit etwas in der Heimat passieren könne.

Am nächsten Morgen machten die kleine Reisegemeinschaft auf in Richtung Zibbenwinkel. Anfangs folgten sie noch der Hauptstrasse, die sie letztendlich bis zum nördlichsten Zipfel Quellensprungs, Feuerhafen, bringen würde. Doch nach etwa 7 Meilen erreichten die das kleine Rittergut der Zankenburg. Dort bogen sie nach links ab und ein schmaler Pfad brachte sie dann an ihr Ziel. Zibbenwinkel. Ein kleiner Ort am Meer mit etwa gut fünf Dutzend Einwohnern. Kendrick führte seine Gäste vorbei an den Häusern direkt an den Strand. Tief sog er die Seeluft ein, breitete die Arme aus, ließ sich schließlich in den weichen Sand einer Düne fallen. “Was sagt ihr? Ist das nicht herrlich?” Alle drei Zwerge waren auf den letzten, vielleicht hundert Schritt immer stiller geworden. Ja darüber hinaus kam es dem Vogt sogar so vor, als liefen sie immer langsamer. In jenem Moment da sie dann den Scheitel der Düne erreicht hatten und das schier endlose Wasser- das Meer in Sichtweite kam, blieben sie geschlossen, wie vom Donner gerührt stehen. Ihre Münder öffneten sich im stillen Staunen, aber es war dabei auch sichtbares Unbehagen in ihren Mienen zu erkennen. “Bei Angroschs Barte”, brachte Cendrasch schließlich hervor. “In Mendena habe ich seiner Zeit den Weg zum Kriegshafen nicht gesucht und war froh dem Meer fernbleiben zu können”, sprach er an den Vogt gewandt, jedoch ohne diesen anzusehen. Er konnte sich vom Anblick des allgegenwärtigen Blau nicht losreißen. “Meine Einheit war bei den Kämpfen in der Vorstadt beteiligt, um die Erstürmung Mendenas vorzubereiten. Nachdem das gelungen war, war die Schlacht für mich beendet.” Cendrasch schüttelte ungläubig den Kopf. “Diese grenzenlose Weite wirkt zugegebenermaßen beängstigend auf mich.” Seine beiden Kameraden nickten energisch, auch sie fühlten auf diese Weise, während die Hunde offenbar keinerlei Abneigung dem Meer gegenüber verspürten und versuchten Gorm und Groth diese Richtung zu ziehen. Mit einem Klirren seiner Kettenrüstung setzte sich der Junker kurz darauf neben den Vogt. Er war ein wenig blass. Seine beiden Begleiter entfernten sich daraufhin einige Schritt parallel zur Küstenlinie und ließen die Hunde von den Leinen, die daraufhin sogleich zum Wasser rannten und dort in der Brandung tollten. “Zumindest sie scheinen einem Bad nicht abgeneigt zu sein.” Der Junker schmunzelte bei dem Anblick und begann damit seine lederne Hose hochzukrempeln. Als dies geschehen war zog er sich auch noch die schweren, geschnürten Stiefel aus und meinte: “Einer der Gemeinen in Eisentann meinte es sei eine lohnenswerte Erfahrung einmal zu spüren, wie der feinen Meersand um die Füße gespült wird. Nun, ich werde es wohl gleich herausfinden. Begleitet ihr mich ein Stück?” “Um nichts in der Welt würde ich diese Einladung ausschlagen.” Während sich nun auch Kendrick seiner Stiefel entledigte fuhr er fort. “Es ist mir eine Ehre, dass ihr den Versuch wagt. Sicherlich für jemanden wie… also für einen Angroscho eine gewisse Herausforderung. Mir wäre es wahrscheinlich eine ähnliche Herausforderung solltet ihr mich in eine Zwergenbinge einladen. Hier die Weite und der endlose Horizont. Dort die Dunkelheit und Enge eines Berges. Aber genug davon. Man muss sich den Herausforderungen stellen wo sie einem begegnen. Und ich verspreche euch: Ihr werdet es in diesem Falle nicht bereuen!” Cendrasch grinste schief bei diesen Worten. Das, "eure Worte in des Weltenschöpfers Ohren", klang wenig überzeugt, dennoch schien er fest entschlossen seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Die beiden Männer gingen gemeinsam den Strand entlang und von Zeit zu Zeit umspülte eine kleine Welle ihre Füße. Mit einem Male hielt Kendrick inne und ging in die Hocke. Er packte sich ein Algenbündel, hob es hoch, schüttelte es, hielt es gegen das Licht. Cedrasch beobachtet überrascht das Verhalten des anderen. Dann endlich “Ha! Phex ist mit uns.” Ohne weitere Erklärung ging Kendrick zum Wasser, offenbar spülte er etwas aus, das er verborgen in der Hand hielt. Und als er zurück kam tat er dann auch ein wenig geheimnisvoll. “Dein Besuch steht unter einem guten Stern. Phex und Efferd haben uns das eben bewiesen. Hier. Ein Geschenk der See an meinen Freund aus den Bergen!” Sprach’s und hielt Cendrasch einen fast drei Finger langen und einen Finger breiten gelblich scheinenden Brocken hin. "Das ist Bernstein, wir nennen ihn hier Amber. Man sagt den Steinen allerlei nach, doch für mich sind sie einfach nur schön. Das hier ist ein Prachtexemplar und du -äh- ihr würdet mir eine große Freude machen, wenn ihr das Geschenk annehmt.”

"Das Gold der Praioten…" sprach Cendrasch nachdenklich, während er das Kleinod, welches im Sonnenlicht goldgelb schimmerte, versonnen betrachtete. Der Zwerg war sichtlich fasziniert. Als der Junker dann nach einer Weile zu Kendrick aufsah zuckten seine Mundwinkel. "Gern nehme ich dies Geschenk an… Das heißt”, machte er eine kurze Pause, “wenn wir uns endlich wie Männer duzen können."

“Sehr gerne.” Und das erleichterte Lächeln ließ erahnen wie viel Mühe die formelle Ansprache den Vogt gekostet hatte. “Dann laß uns ins Dorf gehen und den Leuten bei den Vorbereitungen zusehen. Imke wird sich bestimmt auch freuen dich zu sehen.

Auf dem Rückweg nach Zibbenwinkel wurde es immer betriebsamer. An einem Baum in der Mitte des Dorfes hin schon der Strick, an dem später das Faß mit der Möwe hängen würde, und um den Stamm herum lehnte eine ordentliche Auswahl an Holzknüppeln. Die Sonne schien, es wehte eine leichte Brise von der See. Ein wundervoller Tag für ein Fest. Der “Dun Buck” lag, wie es sich für eine Schänke gehört, in der Mitte des Dorfes. Die Männer hielten genau darauf zu, doch bevor sie das Haus erreichten, ging auch schon die Tür auf und Imke kam ihnen freudestrahlend entgegen. “Herzlich willkommen in Zibbenwinkel. Es freut mich, dass ihr es zum Möwengelage einrichten konntet. Kommt herein. Ich habe einen neuen Brauansatz gewagt und bin gespannt auf euer Urteil. Und Momme und Nele, das ist das Wirtsehepaar,” fügte sie mit einem erklärenden Blick für die Angroschim hinzu. “freuen sich auch schon sehr auf euch. Wusstet ihr, dass…” “Imke. Atme!” Kendrick lachte ob des Wordschwalls der jungen Frau. Die war plötzlich ruhig, wobei ihr dafür eine ordentliche Schamesröte ins Antlitz stieg. Kurz darauf saßen alle an einem runden Tisch im Dun Buck. Natürlich jeder mit einem Krug vor sich und ein Brett mit Wurst, Käse und Brot in der Mitte. “Nun gut, Cendrasch. Dann lass mal hören, was du uns zu berichten hast.” Kendrick lehnte sich erwartungsvoll zurück, während Imke ihre Neugierde kaum noch zügeln konnte und vorgebeugt am Tisch saß. Die Augen gebannt auf die Lippen Cendraschs gerichtet.

Der Junker nickte nachdenklich, wie als müsse er sich sammeln. Seine Miene verriet derweil nicht, wie seine Antwort ausfallen würde. “Nun”, begann er schließlich das Wort in die länge ziehend. “Ich habe schlechte, aber auch gute Neuigkeiten.” Eine kurze Pause entstand. Dann zuckte Cendrasch mit den Schultern. “In Angbar lässt sich keiner der dort lebenden Angroschim dazu bewegen nach Tobrien zu kommen.” Er seufzte. “Die Groscha- Fort- Brumborim sind zu friedliebend und sippenverbunden, als dass sie einerseits ihre Heimat aufgeben, andererseits in ein Land ziehen würden, dass noch so viele Gefahren bereithält wie Tobrien.” Der Junker schürzte die Lippen. “Aber”, eilte er sich anzufügen. “Ich habe wie bereits gesagt auch eine gute Nachricht. Diese erreichte mich aus Isnatosch, dem Bergkönigreich Eisenwald in den Nordmarken.” Wieder entstand eine kleine Pause. “Ich habe einige Freunde im Isenhager Garderegiment Ingerimms Hammer, unter anderem lernte ich vor Mendena ihren Oberst kennen. Dwarosch, der Sohn des Dwalin ist ein ausgesprochener Kenner was jedwede Art von Bier betrifft.” Cendrach lächelte. “Auch ihn erreichte eine meiner Briefe, die ich nach Senalosch schickte, der Hauptstadt Isnatoschs, die man die letzte Festung nennt. Dort gibt es ein Gasthaus, das sich in Anlehnung an die in der gräflichen Vogtei Nilsitz legenden Trolle ‘der betrunkene Schrat’ nennt. Zufällig ist einer der dort arbeitenden Braumeister ein Veteran des Regiments, der nach dem Kampf gegen die abtrünnigen Albernier den Dienst quittierte. Nun, was soll ich sagen, eben jener scheint noch immer etwas Abenteuerlust zu besitzen, denn nach Aussage von Dwarosch habe er nicht lange gezögert und zugesagt rasch aufzubrechen. Er wird alleine kommen, aber direkt zu euch. Atosch gehört, wie ihr euch sicher bereits gedacht habt, dem Volke der Groscha- roroxim- angrasch an, ist also kein Kind- des- Friedens. Dennoch versteht er sich darauf Bier zu brauen, dass für den menschlichen Gaumen wohlschmeckend ist. In der oberirdischen Siedlung von Senalosch leben ebenso viele Menschen wie Angroschim müsst ihr wissen. Und der Schrat ist bei beiden Rassen beliebt. Der Sohn des Artoglom wird wohl aber besonders wegen seines dunklen, malzigen Bieres gerühmt."

Mittlerweile war es voll geworden im Dun Buck. Offenbar belohnten sich die Dörfler nach getaner Arbeit erst einmal mit einem ordentlichen Schluck aus den Fässern. Imke schaute gespannt auf die Reaktionen, die durchaus gemischt ausfielen. Den meisten schmeckte das Bräu wohl, doch es war auch deutlich zu vernehmen, dass das allseits beliebte Tribuck, ein dreifach gebrautes Starkbier, vermisst wurde. Imke war den Tränen nahe. “Und dabei war ich mir so sicher…” Die drei Gäste aus Eisentann hingegen ließen sich nichts anmerken. Das Lob über das Bier fiel zwar eher höflich und zurückhaltend aus aber gänzlich ungenießbar schien es dann auch nicht zu sein. “Das sind doch gute Neuigkeiten. Alles in Allem. Dann freuen wir uns doch auf unseren neuen Braumeister in Zibbenwinkel.” Kendrick winkte Momme herbei, der auch sofort herbei eilte. Allerdings hatte er das Zeichen des Vogts wohl missdeutet, denn er kam mit fünf neuen Krügen Bier zum Tisch. Als er hörte, dass in Bälde mit einem neuen Braumeister zu rechnen wäre konnte er gar nicht aufhören zu grinsen. “Und dir wird er noch den letzten Schiff beibringen, Imchen.” Imke war dabei deutlich anzusehen, dass sie schwankte zwischen Vorfreude auf einen neuen Lehrmeister und dem verletzten Stolz. Nur zu gerne hätte sie das Erbe ihres Vaters allein fortgesetzt. “Also ist es abgemacht. Atosch, Sohn des Artoglom wird der neue Braumeister des Dun Buck. Momme, du stehst mir dafür ein, dass er eine ordentliche Bleibe bekommt und sein Lohn gerecht verhandelt wird. Mir ist es eine Ehre die Dienste von Cendrasch zu entlohnen. Immerhin profitiert ja ganz Quellensprung davon, wenn es endlich wieder ein zünftiges Starkbier aus Zibbenwinkel gibt. Und jetzt lasst uns feiern und schauen wer in Zibbenwinkel der neue Herr der Möwen wird.

Und die Zwerge langten kräftig zu. Sie tranken und aßen jeder für mindestens zwei. Man merkte, dass die Teller und Becher in Waidbruch, so nah an der Grenze zu Schwarztobrien, nicht so häufig derart reich gefüllt waren, wenn sie es denn überhaupt einmal taten. Es wurde gezecht, ausgelassen gelacht und als die drei Angroschim dann sogar ein Lied aus ihrer Heimat- Tosch Mur unter dem Amboß anstimmten, sollte der Abend, oder vielmehr die Nacht für alle Gäste der Schänke unvergesslich werden.

~*~

Der Aufbruch nach Eisentann am kommenden Tag stand dann nur noch die Verhandlung des Preises für Cendraschs Dienst- der Vermittlung des Braumeisters im Wege. Das hieß die Verhandlung und der ausgewachsene Troll, der unberfrohren auf Cendraschs Kopf eindrosch. oder saß er in seinem Kopf? Bei Angroschs gigantischen Klöten, er war einfach aus der Übung. Das Dasein eines Junkers bot viel zu selten Gelegenheit einen über den Durst zu trinken. Vielleicht aber lag es auch nur an der Lage seines Lehens, man lebte ja schließlich in ständiger Bedrohung. Ja, dass musste es sein. Er konnte in Waidbruch einfach nicht guten Gewissens trinken. dem Troll und dem vielen Spaß des vergangenen Abends war es geschuldet, dass Cendrasch keine sonderlich großen Ambition hatte, was das Feilschen um seine Entlohnung betraf. Schnell und ohne viel hin und her einigte man sich auf zwanzig Goldmünzen, wofür der Junker dankbar war. Kendrick machte überdies aber auch nicht den Eindruck noch Berge versetzen zu wollen an dem Tag. Er war ein wenig blass um die Nase, stellte Cendrasch fast mit ein wenig Genugtunung fest, denn damit sah er so aus wie er sich fühlte. Mit diesen Gedanken machten sich die Zwerge geschlossen wieder auf den Heimweg, nicht jedoch bevor man sich gebührend herzlich verabschiedet hatte. Es war eine schöne Reise gewesen, doch bedeutender war, Cendrasch glaubte einen Freund gewonnen zu haben.

~Ende~