ET19 QwdsW Wider dem silbernen Wanderer

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Briefspiel
Wider dem silbernen Wanderer
Region: Ysilien
Ort: Junkertum Eisentann
Zeitraum: 14.02.1044 BF
Beteiligt: Cendrasch Sohn des Chrysoprax
Kapitel:


Irgendwann, den Jägern kam es wie eine Ewigkeit vor, kamen die Jäger auf eine Lichtung und stolperten fast über das Rudel, dessen Tiere hier in der Sonne lagen und sich mit ausgestreckter Zunge, hechelnd ausruhten. Einzig der größte der Wölfe- der Alpha stand am anderen Ende der freien Fläche und spähte zu einem sich vage hinter den Tannen abzeichnenden, großen Hügel.
Die Menschen fielen am Rande der Lichtung, vollkommen erschöpft, nass von Schweiß, mit brennenden Lungen und schmerzenden Gliedern auf ihre Knie, oder ließen sich mit dem Rücken an Bäumen auf den Hosenboden herunterrutschen.
Cendrasch, der letzte, der mit großem Abstand zu den anderen aufschloss, tat letzteres. Er war blass und schien am Ende seiner Kräfte. Kendrick und der Jagdmeister, die bereits einige Zeit auf der Lichtung weilten, waren zu jenem Moment bereits dabei aus ihren Wasserschläuchen zu trinken, um sich von dem kühlen Nass erfrischen zu lassen.
Kendrick ging zu seinem Freund Cendrasch, der immer noch nach Luft schnappte. Er konnte es seinem kleinen Freund nachfühlen. Sie alle waren nach der Hatz ziemlich am Ende ihrer Kräfte angekommen. Ein wenig ratlos pendelten Kendricks Augen zwischen dem Zwerg und den Wölfen hin und her. ‘Was nun?’ sagte sein Blick. Trotz der Anstrengung schien Cendrasch die Lage aber als Erster zu erfassen. “Der Hügel”, japste er nur kurz zwischen zwei Schlucken aus dem Wasserschlauch, den Kendrick ihm gereicht hatte, und deutete nach vorn. “Jo.” bestätigte Eldan, der sich zu den beiden gesellt hatte. “Pause. Und dann Kriegsrat.” Angus, der Söldnerführer, stand neben Dalero. Nach und nach scharten sich auch die anderen Anführer um sie herum, während die Wölfe weiterhin einfach nur dalagen und den kleinen Heerhaufen beobachteten. Einzig der Alpha schien ein wenig ungeduldig. Ohne Hast, aber ganz offensichtlich voller Tatendrang, stolzierte der Wolf auf und ab. “Hat jemand eine Ahnung, was uns dort erwartet?” Alrine, die zweite Rudelführerin des Sturmbanner warf die Frage in den Raum, die sich wohl jeder von ihnen bereits gestellt hatte.
“Schickt… zwei… Späher… aus”, presste der Junker angestrengt zwischen zwei Hustenanfällen hervor. “Dann sehen… wir weiter.”

Angus zögerte nicht einen Augenblick. Ganz so, als hätte er nur darauf gewartet, drehte der großgewachsene Söldnerführer sich kurz um, nickte Salis und Roane zu. Die beiden hatten in Hörweite fast schon auf einen Befehl wie diesen gelauert. Der komplett in Schwarz gewandete Salis tippte seiner Geliebten auf die Schulter. Roane nickte Angus zum Abschied zu, bevor sie sich mit Salis in einem gemächlich anmutenden Trab in Bewegung setzte. Kaum einen Laut verursachend, verschwanden die beiden im Unterholz. Angus drehte sich wieder zu den anderen Anführern zu. Ein Lächeln umspielte dabei seine Lippen.

Das, was die beiden Späher nur kurze Zeit später berichteten, war grausig und ließ so manchem Menschen das Blut in den Adern gefrieren, auch wenn sie immer noch nass von Schweiß waren und sie die Erschöpfung in der kurzen Zeit nicht hatten ablegen können.
Um den Hügel, der sich in etwa vierzig Schritt von ihrer Position aus aus dem Waldboden erhob, lagen mindestens ein Dutzend toter Wölfe auf dem Waldboden. Ihre Leiber waren bis zur Gänze verschrumpelt, als seien sie ausgetrocknet. Sie waren in unterschiedlichen Stadien der Verwesung, aber selbst diejenigen, die wohl erst ein oder zwei Tage tot sein konnten, da ihr Fleisch noch nahezu intakt schien, sahen zu ausgedörrt dafür aus. Gräßliche Wunden, als seien sie von langen Lanzen aufgespießt worden, verunstalteten die Körper der einstmals so stolzen Jäger des Waldes.
Noch erschreckender jedoch war das Bild, welches die Späher vom Hügel und mehr noch von dem grotesken Baum darauf mit Worten zeichneten. Es war wohl seiner Form nach mal eine Trauerbuche gewesen. Jetzt aber war es sicher eine von dämonischer Macht erfüllte Beleidigung der göttlichen Ordnung Alverans. Die Äste seiner Krone neigten sich in einem großen Radius, sicher fünfzehn Schritt gen Boden und sie bewegten sich beständig hin und her, obwohl im Wald kaum ein Windchen wehte. Es schien als würden sie nach etwas tasten, oder gar wittern. In diesen ‘Tentakeln’ hingen vier leblose Menschen, zwei davon nahezu komplett skelettiert. Eine Art Pulsieren ging von den toten Leibern die Äste hinauf bis zum Stamm, so als würde sich diese zur Existenz gerufene Ausgeburt der Höllen von den Lebenssäften seiner ‘Gefangenen’ ernähren.
Unterhalb des Baumes gab es eine Öffnung in den Hügel, ein Erdloch, groß genug für einen Menschen, fast breit genug für ein Fuhrwerk. Von dort, aus dem von einer Unzahl kleiner Wurzeln des Baumes verdeckten Eingang zu jenem Erdloch, waren fremdartige, klackernde Geräusche zu hören, die zu keinem lebenden Waldbewohner passen konnten, oder besser durften.

Cendrasch spieh aus, als er den Bericht der Späher vollständig gehört hatte. Sein Gesicht war nun nicht mehr blass, sondern rot vor Zorn.
“Es ist eine Stätte des Schänders der Elemente”, stellte der Zwerg gereizt fest. “Kendrick”, der Junker blickte seinen Freund an. Die Augen des Zwergen schienen vor gerechtem Feuer zu lodern. “Ich denke nicht, dass wir mit Armbrüsten oder Bögen etwas gegen dieses Ungetüm ausrichten werden. Der Silberne Wanderer wird genau dort unten sein Nest haben. Der Baum und er.” Der Zwerg nickte, als wolle er sich selbst zu seinen Gedankengängen zustimmen. “Sie bilden eine Existenzgemeinschaft. Der Wanderer liefert die Opfer, um den Baum zu nähren. Der Baum bietet ihm Unterschlupf und möglicherweise sowas wie Nahrung. Auch ein solches Konstrukt muss irgendwie angetrieben werden. Ja, so in der Art wird es sein.” Cendrasch grunzte unverständlich. Dann fuhr er fort.
“Schickt einen Mann in den Wald, zwei, drei Meilen zurück und lasst ein Horn blasen, so dass die anderen wissen, wo wir zu finden sind. Der Späher soll die Truppen zu uns führen und den Hügel weiträumig einkesseln lassen. Unsere Aufgabe wird es sein hier auszuharren.
Wenn ich es richtig sehe und ich bin mir da ziemlich sicher, dann wird der Silberne Wanderer nicht fliehen, der er will diesen… Baum”, Cendrasch spieh das Wort förmlich aus, “verteidigen.
Wenn die Hammerträgerinnen hier sind, machen wir ein Feuer. Oh ja, Kendrick, das werden wir. Wir werden diese Beleidigung des Allvaters mit Brandpfeilen eindecken und den Wanderer so herauslocken. Und dann… und dann Kendrick wird er geweihten Stahl zu schmecken bekommen, bis er zu seinem dreizehnmal verfluchten Herren in dessen Hölle herabfährt.”
Schnell war einer der Dunkelsteiner Waldjäger abkommandiert, um Cendrachs Befehle Folge zu leisten. Der Rest der Truppen bereitete sich so gut es ging vor. Überall wurde getuschelt, während Klingen geputzt und noch einmal geschliffen wurden. Salis und Roane mussten immer wieder erzählen, was sie gesehen hatten. Eine Art Bedrückung machte sich breit ob der Schilderungen, die vor allem Salis geduldig wiederholte. Der dunkle Kämpfer schilderte geduldig wieder und wieder, wie der Kampfplatz aussah, so dass bald jeder ein Bild hatte, was sie erwartete. etwas abseits hatte sich Gafour al’Machtan, der Al’Anfanische Magier des Sturmbanners an einen Baum gelehnt. Er saß einfach nur da, die Beine über Kreuz, mit geschlossenen Augen konzentrierte er sich auf die kommende Schlacht. Kendrick beobachtete den Magier eine Zeit lang und ging dann zu Alrine, der Rudelführerin von Gafours Sturmbanner Rudel, den Dunkelwölfen. “Hat er Erfahrung mit solchen Wesen?” Er nickte in Richtung Gafours. “Ha! Weißt du, wir haben von Beginn an die Dunklen Schergen bekämpft. Jeder, den du hier siehst, kennt sich mit denen aus. Uns schreckt so schnell gar nichts mehr. Und…” Sie hielt ein wenig inne. “Wir haben alle noch die ein oder andere Rechnung offen. Zu viele von uns sind auf dem Feld geblieben.” Sie nickte zweimal kräftig, wie um sich selbst die Worte zu bestätigen. Kendrick klopfte ihr ein wenig unbeholfen auf die Schulter. “Kor mit euch!” Dann lenkte er seine Schritte zurück zu Cendrasch. “Ich schlage vor, dass wir den Baum zuallererst einkesseln, wie du gesagt hast und dann einen Angriff durch die Söldner direkt auf den Baum lenken. Mal sehen, was dann passiert. Als Verstärkung für die Söldner könnte Eldan mit den Waldjägern dabei noch unterstützen. Wenn dann der Silberne Wanderer seine Höhle verlässt, kann die Hauptmacht sich seiner annehmen, während die Söldner nach Möglichkeit den Baum ablenken und vielleicht sogar die Höhle so zerstören, dass der Wanderer keine Rückzugsmöglichkeit hat. Mein Vorschlag wäre, dass ich diesen Vorstoß anführe und du dann mit der Hauptmacht dem Wanderer zu Leibe rückst. Was meinst du?”
Nur kurz dachte der Junker über die Worte seines Freundes nach, dann nickte er grimmig. “So wollen wir es halten.”
Kurz darauf, Kendrick und Cendrasch tauschten sich noch über Detailfragen der Abstimmung der beiden Angriffsgruppen und deren genaues Vorgehen aus, da ertönte das erwartete Horn in der Ferne. Die Späher hatten ihren Auftrag erfüllt.
Alle Unterhaltungen kamen augenblicklich zum Erliegen. Jedermann und jede Frau blickten auf die Wachposten. Mehrere von ihnen saßen mittlerweile in den Astgabelungen von Bäumen und behielten den Hügel im Auge, so gut dies aus der Ferne möglich war. Doch es erfolgte kein Zeichen. Scheinbar blieb es ruhig beim unheimlichen Baum und auch die Höhle spuckte kein Monstrum aus.
Ein zweiter Hornstoß erklang, diesmal von noch weiter weg. Die Antwort war erfolgt. Das hieß, dass die Hauptstreitmacht sich nun in Bewegung setzen würde, um zu ihnen aufzuschließen.
Cendrasch legte den Kopf schief und wägte die Distanz ab. “Vielleicht zwei Wassermaß, dann sind sie hier”, so schätzte der Junker. Kendrick nickte, dies entsprach auch seiner Einschätzung.

Die Zeit verrann zäh und die Anspannung wuchs und wuchs, doch mehr als ein An- und Abschwellen der Intensität der Klackernden Geräusche aus der Höhle wurde von keinem Späher vermeldet, die in regelmäßigen Abständen in Respektabstand um den Hügel patrouillierten. Die hängenden Äste des Baumes bewegten sich immer noch stetig, aber ohne eine erkennbare Veränderung. Immerhin konnten die Mitglieder der Stein- und Dunkelwölfe sich so von der anstrengenden Hatz durch den Wald erholen. Dann kam das Heer. Die Wölfe waren die ersten, die sie registrierten. Sie hoben ihre Köpfe, da sie mit Ausnahme ihres Alphas bis dahin noch immer ruhig auf dem Boden gelegen hatten. Das Leittier würdigte die Söldner wie auch deren Anführer noch mit einem Blick, dann lief er gemächlichen Schrittes in den Wald und war schon bald außer Sicht. Sein Rudel folgte ihm.
Wenig später traten die Oberhäupter der anderen Truppenkontingente, angeführt von den mit dem Horn ausgesandten Spähern, auf die Lichtung und wurden sogleich von Kendrick und Cendrasch über die Lage und das geplante Vorgehen in Kenntnis gesetzt. Die Soldaten und Kirchenkriegerinnen würden unweit ihres Treffpunktes lagern und auf Befehle warten, so wurde es Junker und Vogt im Gegenzug berichtet.

Die Dämmerung war nicht mehr fern. Es war Zeit zu handeln.

Die Söldner des Sturmbanners näherten sich dem Baum breit gefächert von zwei Seiten. Nebeneinander vorrückend bildete jedes der zwei Rudel einen Halbkreis, wobei die Abstände zwischen den Söldnern, je näher sie dem Baum kamen, immer enger wurden.
Mit jedem Schritt, mit dem sie an den Baum heran kamen, wurden die anfangs eher ruhigen, schwingenden Bewegungen der Äste und Zweige schneller, dann fast schon hektisch und dann, als die Kämpfer in ihrer Reichweite waren, peitschend.
Dalero von Haalen, der Ritter zur Zankenburg, hielt seine beiden kurzen Klingen abwehrend vor sich, bereit jeden Schlag abzuwehren. Neben ihm schritt Angus. Der großgewachsene Söldner hatte seine Paradewaffe, einen Andergaster, gegen ein Bastardschwert, das er einhändig führte, und einen Rundschild ausgetauscht. “Passt auf eure Köpfe auf,” wies er unnötigerweise sein Rudel an.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Baumes hörten sie ähnliche Warnungen. Sausend preschten Zweige heran. Dann ein Schrei. Trendel Walburg von den Dunkelwölfen hatte noch einem dünnen Zweig ausweichen können, dadurch aber einen dickeren Ast übersehen, der mit voller Wucht von gerade oben auf seinen Schädel krachte. Noch bevor der Körper auf dem Boden aufschlug war seine Seele bereits auf dem Weg zu Kor.
“Verdammich. Jetzt aber ran!” brüllte Alrine Wolfsgrimm. Ohne auf eine Reaktion der anderen zu warten, spurtete sie los. Behende wich sie einem Ast aus, blockierte einen weiteren und war dann auch schon fast am Stamm dieses unnatürlichen Wesens.
Die Steinwölfe unter Dalero taten es ihr gleich. Nicht alle schafften die vielleicht fünfzehn letzten Schritt. Neben dem leblosen Trendel wälzte sich Ducho am Boden. Ein Ast hatte seinen Schwertarm zertrümmert und ein weiterer war auf seine Beine gekracht, als er schon am Boden lag. Nicht besser war es Berta und Svartiok von den Steinwölfen ergangen. Sie lebten wohl zwar noch aber die Schmerzensschreie ließen nichts Gutes erahnen.
Die am Stamm angekommenen Kämpfer teilten sich wie vorab abgesprochen auf. Einige hatten schwere Äxte auf den Rücken geschnallt, die sie jetzt eilig zur Hand nahmen, während die anderen mit Schwertern und Schilden die Angriffe des Baumes abwehrten. Die geweihten Klingen hieben auf das unheilige Holz ein. Und sie erzielten Wirkung. Ein Beben ging durch den gesamten Stamm, fast so, als würde der Baum versuchen, seine Peiniger abzuschütteln. Doch so einfach war das nicht. Die dickeren Äste waren nicht beweglich genug, um die Kämpfer zu attackieren. Allerdings machte die Masse der dünneren Äste und Zweige den Verteidigern das Leben schwer genug. Immer wieder durchbrach ein Schlag die Deckung, zerbrach Rüstung und fügte ein ums andere Mal schmerzhafte Wunden zu.
Aber die Linie der Verteidiger hielt. Weitere Söldner gingen teils schwer getroffen zu Boden. Rowen, Connor, Rafi. Jeder Gefallene, der sich halbwegs bewegen konnte, wälzte sich in Richtung Stamm. Einer der Verteidiger stellte sich dann schützend über ihn, so dass der Verwundete zwischen den beiden Reihen der Söldner zu liegen kam. Wobei natürlich sowohl die Reihen der Axtkämpfer, als auch die Zahl der Verteidiger dünner wurden und mehr Peitschenhiebe ihr Ziel fanden. Lange würden sie nicht mehr durchhalten können.

“Dein Auftritt Gafour!” Außerhalb der Reichweite des Baumes war ein kleines Grüppchen Söldner zusammen mit Kendrick stehengeblieben. Jeweils zwei Kämpfer an jeder Seite schritt der Magier nun voran. “Ich muss näher heran.” Schilde schützten ihn. Schwerter hieben auf die angreifenden Äste ein. “Das reicht. Gebt mir einen Augenblick.” So gut es eben ging, bildeten die drei Söldner zusammen mit Kendrick einen Schildwall um den Magier. Er war hier zu schützen, selbst, wenn es bedeutete, selber einen Hieb zu kassieren. Was auch geschah. Kendrick bekam einen Hieb von einem etwa einen Finger breiten Zweig auf den linken Oberschenkel. Das brannte wie Feuer und ließ den Junker kurz einknicken. Aber neben ihm konnte sich Gafour vorbereiten. Nichts war wichtiger. Gorn Denning hatte dabei die ganze Zeit auch Gafour im Blick und gab dann das Kommando, als er sah, dass der Magier bereit war. “AUF!” Die beiden Schilde, die Gafour nach vorn abgesichert hatten, schwenkten zur Seite, doch die Lücke wurde sofort von einem Feuerstrahl ausgefüllt, die auf den Baum zuschoß. Kurz oberhalb der Höhle des Silbernen Wanderers schlugen die Flammen ein. Stille. Nur ein oder zwei Wimpernschläge lang bewegte sich nichts. Ganz wie im Auge eines Wirbelsturms. Aber dann, mit einem markerschütternden Laut aus den Tiefen des Wurzelwerks, brach die Hölle los. Völlig unkontrolliert schnellte Ast um Ast, Zweig auf Zweig auf die Söldner nieder. Allerdings schienen die Angriffe weniger kraftvoll. Gafours magische Flamme hatte den Stamm ordentlich verkohlt und das Feuer schwelte rund um die Einschlagstelle. Im Innern des Baumes kreischte es. Der Silberne Wanderer raste vor Wut. Immer wieder stieß er mit dem Kopf gegen die noch verschlossene Höhle. Er wollte ausbrechen. Seinem Symbionten beistehen und sich über die Söldner hermachen. Dann endlich bewegten sich die Äste und Wurzelstränge, die die Höhle sowohl für Angreifer versperrt hatte, aber auch dem Wanderer den Weg auf das Schlachtfeld verwehrte. Wie ein Berserker drückte sich das Getier gegen die Äste, zwängte sich in die größer werdende Lücke. Erst ein Bein, dann das Nächste. Tatsächlich brach der Wanderer sich zum Schluss den Weg frei und verletzte dabei sogar den Baum.
“Los Gafour. Noch einmal!” Gorns Worte ließ der Magier Taten folgen. Wieder schoss ein Strahl zwischen den Schilden hindurch. Dieses Mal allerdings unangekündigt, so dass beide Schilde jeweils zur Hälfte verkohlten und wohl nur Phex allein seine schützende Hand über den Extremitäten der Söldner gehalten hatte. Gafours Ziel war allerdings ein Neues. Mitten hinein in den Körper des Wanderers hatte er gezielt, wobei ein niederhöllischer Lärm, wie wenn tausend Stahlklingen übereinander kratzten, bewies, dass er auch jetzt ins Schwarze getroffen hatte.
Der Silberne Wanderer schien ein paar Schritte zurück zu taumeln. Fast schon verwundert rieben die vorderen Beine über die Stelle, die Gafours magischer Feuerstrahl getroffen hatte. Aber dann fixierte das Wesen die kleine Gruppe und raste los. Angetrieben von Hass, Wut. Und Schmerz. “Ach Du Sch… LAUFT!” Alle fünf drehten sich um und sprinteten auseinander. Jetzt macht sich Kendricks Bein bemerkbar. Mit jedem Schritt schickte die Wunde Nadel-, nein Messerstiche durch seinen Körper und nach nur vier oder fünf Schritten knickte das Bein unter ihm weg. Er fiel. Kendrick drehte sich auf den Rücken und sah noch, wie Gafour zusammen mit Gorn einen Bogen geschlagen hatten, um sich nun im Rücken des Wanderers um die Höhle zu kümmern. ‘Hoffentlich hat Gafour dafür noch ausreichend Kraft’, dachte Kendrick noch. Dann war der Wanderer fast über ihm.
Doch so weit kam es nicht.
Die verbliebenen Streitkräfte, Soldaten ebenso wie Söldner, hatten nur auf diesen Moment gewartet und schlossen nun rasant ihre Linie vor dem am Boden liegenden Junker. Schild an Schild standen sie.
Die stalksende Kriegsmaschine rannte einmal gegenan und zwei der Männer gingen von ihren langen, spinnenartigen Beinen aufgespießt zu Boden, gräßlich vor Schmerz schreiend. Doch aus den hinteren Reihen wurden sogleich Spieße und andere Stangenwaffen vorgestreckt und gemeinsam stemmte man sich mit vorgehaltener Wehr gegen den metallischen Panzerschreiter, drängte ihn Finger um Finger, Fuß um Fuß zurück. Und dort, wo einer der tapferen Männer oder eine Maid verletzt oder tödlich getroffen wurde, nahm ein anderer seinen Platz ein. Man hielt stand.
Von den Seiten rannten nun die Hammerschwingerinnen, die Handvoll Rondrianer des Tempels zur Wacht am Dogul um Schwertschwester Leonida, aber auch die Zwerge aus Waidbruch heran. Cendrasch war unter ihnen.
Krachend gingen gesegnete, schwere Hiebwaffen und geweihte Rondrakämme auf den Silbernen Wanderer nieder, der mit jedem Treffer immer rasender wurde. Den göttlichen Zorn spürend, wich die Kriegsmaschine zurück und versuchte zur Seite auszubrechen. Die Phalanx aus Schilden und Stangenwaffen aber ließ ihre Flügel in einer Zangenbewegung vorrücken, so dass sie den Silbernen Wanderer in die Richtung seiner Höhle zurückgrängten. Die Nahkämpfer taten es dem Schildwall gleich und bedrängten das mechanische Monstrum weiter, auch wenn viele von ihnen schon verletzt und angeschlagen, zwei von ihnen gar bereits schwer getroffen und am Boden von der Phalanx aus dem Feld gezogen worden waren. Ihre Schläge zeigten Wirkung. Auch der Silberne Wanderer sah stark mitgenommen aus. Eines seiner Beine war durch einen Felsspalter abgetrennt, zwei weitere waren lädiert, so dass seine Gelenke nicht mehr effektiv arbeiten konnten. Die Bewegungen der dämonisch beseelte Apparatur wirkten abgehackt und zum Teil sogar unbeholfen. Gerade wollte der Junker von Eisentann mit seinem Zwergenschlägel zu einem weiteren Hieb gegen eines der vorderen Beine ansetzen, als der Silberne Streiter sich aufbäumte. Sein Schlag fuhr mit einem Dröhnen, nahezu wirkungslos gegen den dick gepanzerten Torso der Kriegsmaschine. Dann geschahen mehrere Dinge fast gleichzeitig. Rondrakamm und Kriegshammer trafen das noch fast vollständig intakte, hintere Beinpaar, so dass der Panzerschreiter kurzzeitig den sicheren Stand verlor und nach vorne kippte. Eines der schwertähnlichen Vorderglieder traf Cendrasch von oben zwischen Hals und Schulter. Es drang tief in seinen Torso, kratzte über die obersten Rippen und verhakte sich weiter unten, als sie zwischen zwei eindrang. Cendrasch schrie vor Schmerz auf, brach dann aber von gnädiger Bewusstlosigkeit umfangen zusammen. Der Silberne Wanderer aber, derart auch noch eines seiner Vorderbeine beraubt, war für den Moment nahezu bewegungsunfähig. Die mechanische Kreatur landete mit dem metallischen Bauch auf dem aufgewühlten Waldboden.
Augenblicklich drangen Menschen und Zwerge verstärkt auf das metallische Monstrum ein, ihre Chance witternd und nun alle Vorsicht fahren lassend. Es galt jetzt oder nie.
Donnernd schlugen Hämmer und Äxte auf den Panzerschreiter ein, bis die zappelnde und sich windende Kreatur alle Beine eingebüßt hatte. Das, welches in Cendrasch steckte, hatte Gorm zuerst abgeschlagen und Groth hatte den leblosen Körper seines jämmerlich blutenden Freundes weggezogen, in Sicherheit. Kreischend kämpfte der Silberner Schreiter derweil um seine verfluchte Existenz, immer noch nicht bereit aufzugeben. Es war die Dienerin der Sturmleuin, die ihr schließlich ein Ende bereiten sollte.
Leonida vom Dogul sprang auf den Rücken des Panzerschreiters und rammte, ihr gesamtes Gewicht einsetzend, den gezackten Rondrakamm tief in den Torso der unheiligen Kreatur. Todeszuckungen durchliefen den Silbernen Schreiter. So hätten die nun zurückweichenden Angreifer es genannt, auch wenn sie alle wussten, dass dieses Ding im Sinne des Wortes nicht sterben konnte, weil es nie wirklich gelebt hatte.
Dann wurden die Bewegungen der unheiligen Apparatur beständig langsamer, seltener, bis nur noch vereinzelte Zuckungen das verfluchte und geschundene Metall plagten. Doch auch diese letzten Bewegungen der Höllenmaschine endeten irgendwann. Es war getan. Der Silberne Wanderer war vernichtet.

Währenddessen hatten die Söldlinge des Sturmbanners dem Baum immer weiter zugesetzt. Die Äxte zeigten Wirkung, doch immer wieder gelang es dem Baum mit seinen Tentakeln einen der Angreifer zu erwischen und außer Gefecht zu setzen. Von den zwanzig Söldnern lag mittlerweile fast die Hälfte am Boden. Verletzt oder tot. Dalero von Haalen wehrte einen weiteren Schlag des Baumes ab, der ihn fast von den Beinen holte. Im Taumeln erkannte er die Aussichtslosigkeit ihres Plans. Sie waren nicht schnell genug und irgendwie schien es ihm, als würde der Baum auch über enorme Selbstheilungskräfte verfügen. Sie hätten schon längst tiefere Wunden geschlagen haben müssen, als das, was er sah. Das nächste, was Dalero wahrnahm, waren zwei Gestalten, die aus der Richtung des Wanderers auf den Baum zu sprinteten. Gorn und Gafour wichen geschickt den peitschenden Ästen aus, bis sie am Stamm angekommen waren. Gafour verschwand umgehend in der Höhle des Silbernen Wanderers.
“Feuer. Wir müssen Feuer legen. Seht doch!” Die Rufe von Gorn wurden von allen gehört und jeder, der einen Augenblick seine Blicke in Richtung Stamm wenden konnte, erkannte sofort, was zu tun war. Dort wo Gafours Flammenlanzen den Stamm getroffen hatten, breitete sich das Feuer mit zunehmender Geschwindigkeit aus. Es sprang sogar vom Stamm auf einzelne Äste, die sich dann in wild zuckende Flammen umhüllte Peitschen verwandelten. Nicht ungefährlich für die Söldner, doch zumindest waren deren Angriffe nur noch unkoordiniert. Balato Baridum, der Zwerg, grinste angesichts dieser Wendung. Er ließ seine Axt fallen und den Rucksack vom Rücken gleiten. Neben ihm stand Angus, der seinen kleinen Freund weiter vor den Schlägen des Baumes in Schutz nahm.
“Hier! Das hier sollte helfen.” Drei Tonflaschen kamen zu Tage. “Das ist nicht dein Ernst, Balato?!” Angus konnte es nicht fassen. Andererseits konnte er sich aber auch nicht erinnern, dass Balato jemals mit weniger als so einem Vorrat an Lampenöl auf Reise gegangen wäre. Die Sorge, dass seine kleine Helmlampe irgendwann einmal vielleicht nicht ausreichend Brennstoff haben könnte, musste eine tief sitzende Ursache haben.
“Wir müssen unbedingt mal reden, kleiner Freund.” Und als Gorn dann auch noch einen weiteren Krug, der aber sicherlich etwas hochprozentigeres als Lampenöl enthielt, konzentrierte sich Angus dann doch lieber wieder voll auf die Verteidigung der Freund, die nun dem Stamm mit Brandbeschleunigern auf den borkigen Pelz rückten. Rund um den Stamm verteilt brannte der Stamm nun und die Flammen fraßen sich langsam, aber beständig ihren Weg nach oben. Langsam zwar, aber unaufhaltsam. Denn so sehr die Äste sich auch bogen, bis zum Stamm konnten sie nicht vordringen und schon gar nicht die Flammen ausschlagen. Trotzdem versuchte der Baum es immer wieder. Und immer heftiger. “Wir müssen hier weg!” schrie Dalero. “Wir können nichts mehr tun. LOS!”
Die verbliebenen Söldner gaben ihr Letztes, um so schnell wie möglich vom Stamm weg und außer Reichweite der Äste zu kommen. Die Flammen hinderten sie weiter mit den Äxten auf den Baum einzuschlagen und die Bewegungen der Äste wurden immer heftiger. Fast jeder der Kämpfer stützte beim Rückzug einen Kameraden, so dass niemand zurückgelassen wurde. Bis auf Gafour!

Im Innern des Hügels, den die Wurzeln des Baumes fest bedeckten, herrschte eine fast schon gespenstische Ruhe. Irgendwie filterte die dicke Borke den Kampfeslärm, der von draußen nur wie aus weiter Ferne in die Höhle drang. Gafour blickte sich um. Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte. Vielleicht mystische Zeichen an der Innenseite der Borke. Oder Beschwörungskerzen? Nichts dergleichen fand er vor und gleich darauf schalt er sich einen törichten Träumer. Was sollten hier wohl Beschwörungskerzen. Der Magier atmete tief ein. Er konzentrierte sich nun auf einen letzten Zauber. Während sich draußen alle seine Freunde vom Baum entfernten, flüsterte Gafour die vertraute Formel erneut. Aber dieses Mal würde er all seine Kraft in den Spruch legen. Alles auf eine Karte setzen. Das würde Gorn, dem Spieler, gefallen. ‘Ist das ein Glücksspiel? Nicht so, wie ich es spiele!’ Es war Gafour gar nicht bewusst, dass er lächelte, als seine Hände nach oben zuckten und der Flammenstrahl in die Decke der Höhle schoss. Es schien ihm wie eine Ewigkeit zu dauern, bis seine Kraft aufgebraucht war und der Strahl abbrach. Aber das magische Feuer bahnte sich seinen Weg weiter in den Stamm hinein. Gafour fiel auf die Knie. Nur einen Moment ausruhen. Vom Eingang her strömte Luft in die Höhle. Der Hunger der Flammen gebar sich fast unersättlich und wie jedes Feuer brauchte es Luft, um sich tiefer und tiefer in das Holz zu fressen. Die einsame Gestalt in der Höhle genoss den Luftstrom. Wie eine Brise von der See streichelte er seine Haut. Dann kippte Gafour völlig entkräftet zur Seite.

Später. Wie eine Fackel stand der Baum in Flammen. Mittlerweile wirkte der Stamm, der von innen heraus brannte, wie ein Kamin. Ungezügelte schossen Feuerzungen nun auch aus Astlöchern seitlich aus dem Stamm heraus. Aber das wahre Inferno loderte im Herzen des Baumes. die Höhle, ehemals Heimstatt des Silbernen Wanderers, war das Glutloch in dem Hitze gepaart mit immer neuer Luft das Schicksal des Baumes besiegelt wurde.
“Puh, und ich dachte schon, man sieht nichts.” Gafour freute sich an den Flammen.
“Jupp. Dieses Mal kann man es nicht leugnen. Dein Spruch hat geklappt.” Gorn klopfte seinem Freund, den er im letzten Moment mit Angus zusammen aus der Höhle gezogen hatte, auf die Schulter. “Aber ohne mein Lampenöl wäre es nur ein halb so schönes Feuer!” beharrte Balato auf seinen Anteil.
“Und gut, dass ich immer eine kleine Reserve dabei habe.” steuerte Gorn bei, während er eine zweite Flasche Premer Feuer kreisen ließ.

Cendrasch saß derweil flach atmend und mit starken Schmerzen unweit der beiden Freunde an einen Baum gelehnt. Man hatte ihm im bewusstlosen Zustand die Rüstung ausgezogen, oder besser gesagt aufgeschnitten, um das Bein des Silbernen Wanderers aus seinem Brustkorb entfernen zu können.
Zwei Heilsegen und der starken Konstitution des Junkers war es zu verdanken, dass er noch lebte. Die inneren Verletzungen und der enorme Blutverlust hätten ihn ohne göttlichen Beistand sicher in Angroschs ewige Hallen heimkehren lassen.
Mit dem flackernden Schein der vor ihm lodernden Feuersbrunst im Gesicht verspürte Cendrasch trotz der unsäglichen Pein so etwas wie Befriedigung. Die Jagd war beendet, die Beute erlegt. Der Silberne Wanderer würde keinen Terror mehr verbreiten, keinen Tod einfordern. Eisentann war wieder ein Stück sicherer geworden.
Innerlich dankte er dem Allvater für den Sieg, wusste aber, dass er den Herrn des Landes in seiner Lobpreisung nicht auslassen durfte. Der weiße Jäger hatte ihnen beigestanden und Cendrasch verspürte abermals SEINE Kälte in sich.