ET18 QwdsW Bange Stunden
Bange Stunden
Region: | Ysilien |
Ort: | Junkertum Eisentann |
Zeitraum: | 14.02.1044 BF |
Beteiligt: | Cendrasch Sohn des Chrysoprax |
Kapitel: |
Es war dann in den frühen, nebelverhangenen Morgenstunden des 14. des Mondes der Sturmherrin, da sich die versammelten Truppen aus Waidbruch in Bewegung setzten und in zuvor besprochenen Formationen in den Wald hinaus zogen. Der Hahn hatte kurz zuvor das erste Mal gekräht und die noch zögerlichen Finger des Praiosrundes waren am Horizont durch den Dunst zu erahnen.
In zwei lockeren, aufgefächerten Gruppen durchkämmten zuvorderst das Sturmbanner, geführt durch den Jagdmeister Eldan Darben und die Dunkelsteiner Waldjäger unter Kendrick von Hagensmoor und Ritter zur Zankenburg Dalero von Haalen, als linke und rechte Flanke das dichte Grün. Das Zentrums, welches die restlichen Truppen beinhaltete und leicht zurück lag, marschierte geschlossener und dabei stets zu allen Seiten absichernd.
Die Nachhut bildeten die tobrischen Schanz- und Belagerungsspezialisten unter Hauptmann Federus von Buchensteen.
Der Marsch führte die Truppen gen Rahja, in die Richtung, in der der Angriff des Silbernen Wanderers auf den Wagenzug von Mortar Oktaschs nach Waidbruch stattgefunden hatte. Später, wenn man in etwa zwanzig Meilen zurückgelegt hatte, würde man gen Firun schwenken, und in einem weiten Bogen einen Kreis um Waidbruch ziehen, der sich mit jeder Umrundung enger ziehen würde. So hoffte man den eigenwillig- verfluchten Kriegsgolem aufscheuchen und stellen zu können.
Die Einwilligung, mit den Truppen auch auf dem Grund anderer Güter auf dem Gebiet der Baronie Speckfelden marschieren zu dürfen, um das Übel ausmerzen zu können, hatte der Junker freilich eingeholt. Baduar Parin von Rechteren, der Baron, war bereits bei Cendrasch Schreiben an die Kirche des Roten Gottes mit einbezogen worden, so dass er zu jedem Zeitpunkt informiert war. Cendrasch war penibelst darauf bedacht, dass alles seinen ordentlichen Weg ging. Einmal entsprach dies seinem Naturell, andererseits wusste er, dass es unter den menschlichen Adligen Tobriens durchaus solche gab, die die Nase rümpften, wenn sein Name viel. Nur zu gerne, so dachte sich der ehemalige Soldate, würden sie ihm ‘an Bein pissen’. Er würde ihnen keinen Anlass dazu geben.
Es war dann zu Beginn der morgendlichen Peraine- Stunde da die erste Rast ausgerufen wurde. Wachposten an den Flanken wurden aufgestellt und ein schlichtes Frühstück eingenommen, während die Späher an der Spitze des Zentrums Bericht erstatteten.
Cendrasch war flankiert von Leonida vom Dogul, Jarlwulf und Firunja Groterian von Tirandur, dem Ritter zur Zankenburg Dalero von Haalen und dem Hauptmann der 2. tobrischen Sappeure, als Kendrik und Eldan von ihren Spähtrupps kommend zu den Befehlshabern stießen, um Zeugnis ihrer Arbeit abzulegen.
Die Kundschafter des Sturmbanners hatte ihr Lager ein etwas abseits von den anderen Truppenteilen aufgeschlagen. Niedrige kleine Feuer, um die sich die Kämpen sammelten reichten gerade aus, um ein wenig Wärme zu spenden und heißes Wasser für Tee zu bereiten. In einigen der Becher dampfte auch heißer Wein, den sie sich mit Gewürzen verfeinert hatten.
Als letzte waren die Steinwölfe von den Erkundungen der Gegend zurückgekehrt. Dalero von Haalen, der die Söldner im Auftrag von Kendrick von Hagensmoor begleitete, schritt durch das Lager. Hier und da wechselte er noch ein Wort mit den Söldnern, bevor er seinem Vogt Bericht erstattete. Die Söldner waren, solange es das Tageslicht erlaubte, durch den Wald gepirscht. Während die meisten von ihnen aufmerksam nach Spuren am Boden und an den Pflanzen gesucht hatten, waren stets drei wachsame Augenpaare auf die Umgebung gerichtet. Sie alle hatten gehört um was für einen Gegner es sich hier handelte, wobei keiner von ihnen sich aber eine richtiges Bild von diesem Wesen machen konnte. Auch Gafour, der Magier, vermochte keine Auskunft zu geben. Nach all den Jahren im Kampf gegen die Dunklen Schergen in Tobrien schien es doch immer noch neue Schrecken zu geben, denen sie bislang nicht begegnet waren. Jeder hatte ein ähnliches Bild vor Augen, doch keines glich dem anderen. An der Feuern zogen so die unterschiedlichsten Geschichten und Vermutungen ihre Kreise.
Kendrick und sein Jagdmeister Eldan hörten konzentriert zu. Ein paar Spuren waren gefunden worden. Die allerdings gaben nach wie vor wenig Aufschluss darüber um was für einen Feind es sich genau handelte. Alles passte zu dem Wesen, das als Silberner Wanderer bezeichnet wurde. Hinzu kamen Fußspuren, die gefunden worden waren. Ungewöhnlich große Spuren eines barfüßigen Menschen oder menschenähnlichen Wesens. Der Größe der Spuren nach mindestens zwei Schritt groß, trieb sich hier noch jemand im Wald herum, der nicht hierher gehörte.
Kendrick berichtete diese Erkenntnisse mit ernster Miene an Cendrasch, der kaum eine Regung erkennen ließ. Ab und an nickte der Zwerg seinem Freund zu, als Zeichen, dass er verstanden hatte. Dann wieder schüttelte er leicht den Kopf, als die Sprache auf die Fußspuren kam. „Immerhin haben wir eine Fährte, der wir folgen können.“ Eldans Augen leuchteten. Der alte Jäger war in seinem Element, denn auch, wenn er nur schwer einschätzen konnte, was sie genau jagten, war es letztendlich doch immer noch eine Jagd. Damit kannte er sich aus. Kendrick hingegen war nicht ganz so euphorisch. Behutsam legte er dem alten Jäger die Hand auf den Arm. „Wir benötigen einen Plan wie wir dieses Ding zu fassen bekommen.“ Zu Cendrasch gewandt fuhr er fort. „Ich bezweifle, dass wir Erfolg haben, wenn wir immer nur den Spuren folgen. Vielleicht wäre es an der Zeit die Taktik zu ändern?“ Der Zwerg legt den Kopf etwas schief. Er sagte nichts sondern wartet ab bis Kendrick weitersprach. „Ich schlage vor, dass das Söldnerrudel der Dunkelwölfe sich an die Spur des barfüßigen Riesen heftet. Dann wären wir von dieser Seite aus hoffentlich vor unliebsamen Überraschungen sicher. Dalero soll dann mit den Steinwölfen die Vorhut übernehmen. Sie sollen schnell vorrücken, den Spuren des Silbernen Wanderers folgen und ihn stellen. Mit ein bisschen Glück entgeht ihm dann die Hauptmacht, die den Söldner in großzügigem Abstand folgt. Am besten auch auf den Flanken.“ „Du willst sie als Köder benutzen?“ Eldan erkannte die Idee seines Vogts. „Das kann übel ausgehen.“
“Da wir momentan keine wirklich sinnvolle Alternative haben, bin ich geneigt euch zuzustimmen, was das weitere Vorgehen betrifft”, beschied Cendrasch trocken. “Seid ihr euch sicher, dass ihr eure Männer vorschicken wollt?”, fragte der Junker dennoch und mit ernster Stimme.
“Das ganze birgt natürlich ein erhebliches Risiko für die Vorhut, das ist uns bewusst.” Der Vogt von Quellensprung blickte ebenso ernst wie Cendrasch. “Aber mangels einer besseren Idee ist das der beste Plan, den wir wohl haben. Und letztendlich werden Söldner dafür bezahlt gegebenenfalls den Kopf hinzuhalten. Der Ritter Dalero jedenfalls hat seine Zustimmung schon gegeben. Ohne sie hätte ich den Vorschlag gar nicht erst gemacht.”
Der Junker nickte zustimmend. “Gut, dann los. Ich komme mit.”
Nachdem sich die Dunkelwölfe auf den erneuten Aufbruch vorbereitet hatten und Cendrasch die restlichen Führer der anderen Truppenteile instruiert hatte, ihren bisheriges Vorgehen beizubehalten und sofort per Horn bescheid zu geben, falls sie auf den Silbernen Wanderer stießen bzw. frische Spuren des selbigen fanden, ging es los.
In einer locker aufgefächerten, langgezogenen Formation ging es den Spuren hinterher. Man versuchte nun deutlich schneller voranzukommen, was bei dem dichten Wald und der hügeligen Topologie des Bodens nicht immer einfach war, dennoch setzte man nun darauf, den Ursprung der Spuren rasch zu stellen. Und schon bald war klar, die Spuren wurden rasch frischer, man holte auf.
Kein ganzes Wassermaß war vergangen, als an der Spitze des Trupps eine Hand gehoben wurde. Fast augenblicklich verharrten die Mitglieder der Dunkelwölfe und auch Cendrasch und Kendrick hielten inner. Ein weiteres, tonloses Zeichen wurde von vorne gegeben und alle gingen in die Hocke, machten sich klein und lauschten.
Atmung und auch Herzschläge, die durch den schnellen Marsch beschleunigt gewesen waren, beruhigen sich langsam und dann schließlich hörten sie es. Erst waren es einzelne, schnelle und dabei langgezogene Schritte, die sich durch das Unterholz näherten. Sie stammten nicht von Menschen, sondern offenkundig von Tieren. Kein aufrecht gehendes Wesen konnte sich so schnell durch diesen Nadelwald bewegen.
Dann nahmen die Geräuschquellen an Anzahl rapide zu und kamen rasant näher. Die Bedrohung wuchs und nervös schauten sich die Sölder an. Schnell waren Bolzen in der Armbrust und Pfeile auf die Sehne angelegt, doch dann geschah es, ohne dass die Dunkelwölfe und ihre Begleiter angegangen wurde. Ein großes Rudel Waldwölfe preschte recht und links an ihnen vorbei. Zwei ganz mutige Tiere wählten sogar den Weg durch ihre Mitte. Gut und gern zwanzig mochten es gewesen sein. Und dann, so schnell wie sie gekommen waren, waren sie wieder an ihnen vorbei.
“Bei Angroschs gigantischen Klöten, was war das?”, fragte der Junker von Eisentann mit weit aufgerissenen Augen, die vom Fieber des Kampfes erfüllt waren. Cendrasch, dessen Zwergenschlägel immer noch zum Angriff erhoben war, musste sich kurz sammeln. Erst dann beruhigte er sich und der Kriegshammer sackte herab. Sein Blick glitt zu Kendrick.
Kendrick konnte nur mit den Schultern zucken. Er war genauso verwirrt wie alle anderen auch. “Hat jemand gesehen, wo sie hin sind?” fragte er in die Runde. “Kommen da noch mehr?”
Kaum war das Gesagte ausgesprochen, als das Heulen eines Wolfes die Stille zerriss, dann fiel ein zweiter mit ein und ein dritter und ein vierter, bis es wohl das ganze Rudel war, das sich Gehör verschaffte.
“Sie sind verdammt nah”, stellte der Junker fest und Kendrick konnte nicht anders, als dieser Meinung zuzustimmen.
“Jo.” Da wo Kendrick herkam galt das schon als ganzer Satz, aber mehr konnte er auch nicht beitragen. Waren die Viecher jetzt vor etwas weggelaufen oder war das die Vorbereitung auf einen Angriff? Dann war das die merkwürdigste Attacke, die er je miterlebt hat. “Macht euch bereit!” rief er völlig sinnfrei, denn ein Blick auf die Schar zeigte eine zwar verdutzte aber kampfbereite Mannschaft. In Windeseile hatten die Klingenkämpfer einen Kreis gebildet und hinter ihnen hatten die Bogen- und Armbrustschützen angelegt. Einzig die Ziele fehlten. Noch!
Doch nichts geschah. So lange sie auch ausharren. Ihre Umgebung blieb ruhig.
“Ich versteh es nicht, aber wenn sie uns hätten angreifen wollen, dann hätten sie es eben sicher getan. Und es ist auch ganz bestimmt kein einfacher Zufall, dass die Viecher ausgerechnet in die Richtung gelaufen sind, in die die Spuren führen”, resümierte Cendrasch die absonderliche Begegnung mit dem Rudel Wölfe. “Wir haben sicher ziemlich dämlich aus der Wäsche geguckt”, fügte er nach einer kurzen Pause mit einer guten Portion Selbstironie, schief grinsend an.
Weitere Momente der Unschlüssigkeit, wie man mit der Situation umgehen sollte, vergingen, dann grunzte der Junker und schulterte seinen langstiligen Kriegshammer. Widerwille stand ihm ins Gesicht geschrieben. “Nein, uns anzugreifen war mitnichten ihre Absicht und heulen tun sie jetzt auch nicht, weil sie aggressiv sind und uns in den Arsch beißen wollen.
Nein”, Cendrasch brach ab und schüttelte nochmals den Kopf. Dann fluchte er: “Ach scheiß doch drauf. Komm Kendrick, das schauen wir uns an, ehe unsere haarigen Ärsche hier anwachsen.”
Kaum hatte der Junker den letzten Satz gesprochen, marschierte er auch schon entschlossenen Schrittes los, ohne den anderen nochmal einen Blick zuzuwerfen, direkt in die Richtung, aus der das Wolfsgeheul kam.
Kendrick befahl den Dunkelwölfen die linke Flanke zu übernehmen; die rechte Seite ließ er von den Dunkelsteiner Waldjägern sichern. Beide Truppenteile sollten etwas schneller vorstoßen als die Hauptmacht. Im besten Falle würden sie den Feind mit einer Zangenbewegung umfassen können.
Es dauerte ein viertel Wassermaß, bis sich eine Veränderung in ihrer Umgebung einstellte. Das Geheul der Wölfe wurde beständig lauter und riss niemals ganz ab, wie als rief das Rudel sie. Und wie Cendrasch festgestellt hatte, die barfüßigen Spuren führten exakt in dieselbe Richtung.
Das Gelände stieg nun leicht an und der Abstand zwischen den Bäumen wurde größer, während die dominierenden Rotfichten weniger wurden und dafür Laubbäume langsam Überhand, an Dominanz gewannen. Dann, als sie die Spitze der kleinen Anhöhe fast erreicht hatten, erkannten sie eine Lichtung, die sich mit einem Durchmesser von vielleicht zwanzig Schritt über die Spitze des Hügels erstreckte. Ein dunkler, fast drei Schritt großer Menhir stand dort oben und um ihn saßen und lagen friedlich die Wölfe- gut und gern zwanzig erwachsene Tiere. Aber nicht dies war das Absurde an der Szenerie, nein. Auf dem Menhir hockte eine in Tierfelle gehüllte Gestalt mit dem blanken Tierschädel eines großen Beutegreifers- vielleicht eines Bären vor dem Gesicht. Sie war massig und zu groß für einen Menschen, außerdem waren die bloßen Arme und Beine stark behaart. Auch seine Füße waren nackt, was nur den Schluss zuließ, dass sie den Spuren dieses Dings gefolgt waren.
Cendraschs Augen weiteten sich. Der Hammer ruckte von seiner Schulter und in einen sicheren Griff, um sofort damit agieren zu können. Die Körperhaltung des Zwergen war augenblicklich gespannt und aggressiv.
“Dreckiger Schwarzpelz”, presste der Junker zwischen den Zähnen hervor und Kendrick fürchtete, er würde jeden Moment losstürmen.
Die Reaktion Cendraschs hatte die gleiche Wirkung wie ein laut gerufener Befehl. Rechts und links von Kendrick schnellten die Klingen aus den Scheiden. Pfeile glitten aus den Köchern und wurden auf die Sehnen gelegt. Obwohl offensichtlich keine direkte Gefahr bestand, stellten sich bei jedem die Nackenhaare auf. Was für ein unheimliches Szenario. Nicht bei wenigen weckte das Bild, das sich ihnen bot, Erinnerungen an vergangene Schlachten. Und Verluste. Einzig Eldan Darben, der alte, erfahrene Waldläufer aus Quellensprung verharrte in einer eher entspannten Haltung. Irgendetwas schien falsch. Er konnte es nicht in Worte fassen, doch etwas musste geschehen, bevor es zu spät war. “TU WAS! HALT IHN AUF!” Es war nur ein Zischen, aber die Worte drangen zu Kendrick durch, als hätte sein alter Freund sie direkt in sein Ohr geschrien.
“Wir kommen in Frieden!” Kendrick konnte selber nicht glauben, was er eben gerufen hatte. Wie kamen diese lächerlichen Worte in dieser Situation über seine Lippen? Er fühlte wie sämtliche Augen sich auf ihn richteten und der Unglaube über das eben Gerufene ließ eine eiserne Faust sich um seinen Magen schließen. Was für ein Irrsinn. Und dann war doch dieses tiefe und unheilvolle Grollen. Aber das kam weder von dem Wesen auf der Lichtung, noch von einem der Wölfe. Cendrasch hatte sich zu ihm umgedreht, die Augen weit aufgerissen und mit der Fassung ringend über das, was sein Freund gerade getan hatte. Kam das Grollen wirklich aus der Brust des Zwergs oder hatte Kendrick sich das nur eingebildet?
Langsam, sehr langsam schien der rote Schleier von den Augen Cendraschs zu weichen. Immer noch malten seine Wangenknochen und immer noch knarzte das Leder um den Griff seines Kriegshammers, da beide Hände ihn stetig fester zu greifen trachteten, doch die Haltung des Kriegers entspannte sich etwas.
“Du machst das”, bestimmte Cendrasch an Kendrick gewandt, nur um den Blick dann wieder zu dem Ding auf dem Stein zu richten. “Ich würde mich vergessen und ihn erschlagen.”
Der so Angesprochene war immer noch sprachlos. Was nun? Unschlüssig mit den Schultern zuckend, blickte er ratlos zu Eldan. Der klopfte seinem Vogt väterlich auf den Arm. Mit lockerem Schritt betrat Eldan dann die Lichtung. Langsam und jede bedrohlich wirkende Haltung oder Bewegung vermeidend schritt er voran. Sehr vorsichtig ging er zwischen den Tieren hindurch, bis er vor der Gestalt zum Halten kam. Hinter ihm verblieb eine weiterhin unschlüssige Schar, die die Entwicklung teils neugierig, teils besorgt verfolgte. Die Wölfe hatten Eldan aufmerksam im Blick, machten aber keine Anstalten, ihn anzugreifen oder auch nur zu bedrohen. Eldan hielt seine Hände vom Körper weg, wohl bedacht, nicht in die Nähe der Griffe seiner Waffen zu geraten. Die Handflächen zeigten offen nach außen. Ein leises Zwiegespräch begann. Anfangs redete nur Eldan. Dann, nach einer kleinen Ewigkeit, schien auch die große Gestalt Worte an Eldan zu richten, der offenkundig etwas erwiderte und immer wieder nach hinten in Richtung Cendraschs und Kendricks zu deuten.
Der Krieger aus den Hallen Muroloschs, dem Bergkönigreich Tosch-Mur, hielt sein heiß brodelndes Blut im Zaum. Mit aufeinander gebissenen Zähnen und dem Kriegshammer fest in Händen beobachtete er die sich ihm bietende Szenerie vor sich: den auf dem Menhir hockenden Ork, offenkundig wohl einer ihrer Schamanen und die beiden Menschen, die unten zwischen den Wölfen des Rudels standen, die sie hierher gebracht hatten. Und dies, eben dass sie nicht aus Zufall hier waren und dies scheinbar keine Falle war, denn ansonsten wären sie schon längst angegriffen worden, ließ ihn sich beherrschen.
Derweil hatte Kendrick seine erste Anrufung des Fremden wiederholt und bekräftigt, dass sie nicht die Absicht hatten, ihn anzugreifen. Der in Tierfelle gehüllte Ork, der eben kein Schwarzpelz war, denn sein Fell war dreckig gräulich bis schneeweiß, grunzte auf die Worte des Menschen hin und setzte dann seinerseits zu sprechen an: “Ich Gatzkuhl Eispelz. Warum hier ihr seid?”. brachte er in einer gutturalem Ton hinter der Tierschädelmaske hervor. Den Menschen tat der Hals nur vom Zuhören weh.
“Ich grüße dich, Gatzkuhl Eispelz.” Eldan bemühte sich langsam und deutlich zu sprechen. Jedes Mißverständnis barg die Gefahr, die Situation eskalieren zu lassen. ”Mein Name ist Eldan. Meine Freunde und ich sind auf der Jagd nach einem Wesen, das wir den Silbernen Wanderer nennen.”
Gatzkuhl schien zu verstehen. Der Ork legte den Kopf etwas schief und hob das Kinn ein wenig an. Gab so zu verstehen, dass er noch mehr hören wollte. Eldan blickte zurück zu seiner Gruppe. Dann suchte er wieder Blickkontakt zu seinem Gegenüber. Es war schwer zu erkennen, in welcher Stimmung der Ork war. “Dieses Wesen hat einige unserer Leute angegriffen. Wir vermuten, dass es sich um ein Ding aus den Dunklen Landen handelt.” Er erkannte sofort, dass Gatzkuhl nicht recht verstand.
“Die Dunklen Lande, das ist… ich meine das Gebiet, in dem die Dämonenanbeter ihr Unwesen treiben. Wir wissen es nicht genau, aber…"
“Rache für Freunde ihr wollt?”, unterbrach ihn der Ork mit einer Frage.
“Ja. Nein! Auch.” Eldan begann zu schwitzen. Was, wenn Gatzkuhl zu dem Wanderer gehörte? Etwas nervös versuchte der Mensch sowohl den Ork zu fixieren als auch die Wölfe im Auge zu behalten. Ein falsches Wort, dann könnten die anderen sich wahrscheinlich in Sicherheit bringen, aber er wäre ein Opfer der Reißzähne dieser Biester.
Als hätte einer von ihnen seine Gedanken gelesen, reckte es sich und riss dabei das Maul weit auf. Beim Anblick der Fresswerkzeuge dieses Monsterexemplars von Wolf schauderte es dem Jadgmeister. Die todbringenden Fänge waren vielleicht nur drei Schritt von ihm entfernt.
“Nun ja. Wir wollen Vergeltung. Aber vor allem muss diesem Wesen Einhalt geboten werden, auf dass nicht noch mehr Unheil geschieht.” Er sah seine Felle davonschwimmen, denn was konnte man schon von einem Ork erwarten? Vielleicht freute der sich insgeheim über jeden Menschen oder Zwerg, der das Zeitliche segnete. Der Feind des Feindes wäre in dem Fall ja vielleicht sogar ein Freund?
“Und was machst du hier?” Eldan biss sich auf die Zunge. Aber zu spät. Was für eine alberne und hilflose Frage.
“Gatzkuhl Diener von weißem Jäger und Geistern Wald und Ahnen”, brachte der Weißpelz in gutturalem Ton vor. “Silbern Wanderer…”, der Ork schien das Wort im Munde zu wiegen, bevor er weitersprach. “Er zerstören Wald und töten meine Kinder.” Weißpelz breitete die Arme aus und blickte sich demonstrativ um, um anzudeuten, dass er die Wölfe- das Rudel meinte.
“Ihr”, ein ausgestreckter Arm und der Zeigefinger Gatzkuhls deuteten auf den Jagdmeister, “töten Wanderer, wenn Kinder euch bringen zu ihm?” War das eine Frage, ein Angebot?
Eldans Verwunderung war maßlos. Ein Diener des Weißen Jägers. Dieser Ork? Frage. Angebot. Auftrag? Wer war er hier unterscheiden zu wollen. Als Jagdmeister wusste er, wie wichtig es war, einer Spur zu folgen, solange sie warm war. Und hier bot sich eine Gelegenheit, die sie wohl kaum besser hätten treffen können. “Wir werden tun, was wir können, um diesem Vieh Einhalt zu gebieten.” Im nächsten Moment verdammte er sich selbst. Kurze und klare Sätze hatte er sich vorgenommen. Also nickte er zur Bestätigung einmal kräftig und fügte ein “Jo!” hinzu. Da wo er herkam, galt das durchaus als vollständiger Satz.
Im Hintergrund beobachtete Kendrick aufmerksam die Unterhaltung. Auch, wenn er die Worte nicht vernahm, so wurde ihm, als auch allen anderen klar, dass Eldan die Sache wohl im Griff und zu einem guten Ende gebracht hatte. Die Männer und Frauen entspannten sich.
Der Ork erwiderte das Nicken und bestätigte so, dass er verstanden hatte, nur um dann einen Schwall hässlicher, gutturaler Worte hervorzustoßen, welche weder Menschen noch Zwerg verstehen konnten. Die Wölfe jedoch reagierten. Augenblicklich kam Leben in das Rudel. Die Tiere sprangen auf und der größte von ihnen, wohl ihr Alpha, knurrte angriffslustig. Das Fell in seinem Nacken war aufgestellt. Dann preschten sie los, ab in den Wald, weg von der Lichtung, dem Menhir und dem Ork.
“Die Jagd beginnt. JETZT!” rief Eldan den anderen zu, um sich dann an die Verfolgung der Wölfe zu machen. Der erfahrene Jäger wusste, dass er mit den Wölfen nicht würde Schritt halten können. Er vertraute darauf, dass die Tiere sie den Anschluss nicht verlieren lassen würden. Zumindest hoffte er das, als er in einen Trab verfiel, der es erlauben würde, lange durchzuhalten. Kendrick nickte Cendrasch kurz zu und tat es dann seinem Jagdmeister gleich. Davon animiert steckten auch die Söldner ihre Waffen ein, so dass sie ungehindert folgen konnten. Alle anderen taten es ihnen gleich. Manche unvermittelt, andere erst etwas zögerlich. So wie es das Geländer erlaubte, schwenkten die beiden Söldnerrudel ein wenig aus, um die Flanken zu decken. Der Rest folgte Eldan auf der Spur der Wölfe.
Das Gros des Wolfsrudels war schnell aus dem Blickfeld verschwunden, aber immer wieder blieben vereinzelte Tiere zurück. Eldan an der Spitze der Verfolger meinte, einen ungeduldigen Ausdruck in den Mienen der Wölfe erkennen zu können. Doch vielleicht spielten ihm seine Sinne auch einen Streich. Er zumindest war angespannt bis unter die Haarspitzen. Was für eine Wendung. Kendrick schloss zu seinem Freund auf und sie liefen gleichmäßig nebeneinander her. “Das musst du mir bei einem Bier noch einmal ganz genau erzählen mein Freund.” Kendrick klopfte seinem Jagdmeister anerkennend auf die Schulter. “Hmpf.” Mehr kam nicht über Eldans Lippen. Nach einiger Zeit spürte er dann doch sein Alter. Aber er ließ sich nichts anmerken. Still sandte er ein kurzes Stoßgebet an Firun, der ihm hoffentlich die Kraft gab, durchzuhalten. Laufen und Atmen. Auf mehr musste er sich im Moment nicht konzentrieren. Rechts und links liefen die Söldner, die es sich nicht nehmen ließen ein wenig weiter nach vorn zu stoßen. Sollte die Hauptgruppe in einen Hinterhalt geraten, könnten sie so den Feind in einer Zangenbewegung leicht in eine recht missliche Lage bringen. Dennoch waren sich alle des Risikos bewusst, wenn sie so durch den Wald hetzten. Die Gruppen waren alles andere als geräuschlos, wie sie so den Wölfen folgten.
Der Junker war derjenige, der bei der wilden Hatz durch den Wald stets am Ende der Gruppe lief. Nicht jedoch, weil er aus taktischen Gründen nach hinten hin decken wollte, sondern schlicht, weil er die kürzesten Beine hatte und folglich nicht der schnellste, beileibe aber auch nicht der ausdauerndste war. Schon bald keuchte Cendrasch, der von allen obendrein auch noch der schwerst gerüstete war. Wer konnte auch mit einer solchen Jagd durch den Tann rechnen?
Die Wölfe jedoch schienen zu wissen, wer ihnen folgte und dass Mensch und Zwerg nicht ihre Agilität, Schnelligkeit und Ausdauer besaßen. Immer wieder tauchten einzelne der Tiere von den Flanken oder gar von hinten her auf und gaben der Gruppe eine neue Richtung, wenn der Alpha an der Spitze, der außer Sichtweite war, diese änderte.