ET15 QwdsW Großes Antreten

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Briefspiel
Großes Antreten
Region: Ysilien
Ort: Junkertum Eisentann
Zeitraum: 10.02.1044 BF
Beteiligt: Cendrasch Sohn des Chrysoprax
Kapitel:


Immer noch wollte Cendrasch seinen eigenen Augen nicht trauen.

Es war Windstag, zur ersten Ingerimms- Stunde eines nebelverhangenen, diesigen Tages.

Der Junker von Eisentann stand auf dem Wehrturm der Hochmotte von Waidbruch und blickte von oben auf den gepflasterten Platz im Zentrum des Wehrdorfes herab. Was er dort sah ließ ihn vor Unglauben den Kopf schütteln.

Keine zwei Götternamen war es her, dass er einen Brief an den Legaten der Ingerimmkirche nach Perainefurten geschickte und darin um Hilfe bei der Jagd und der Vernichtung des ‘Silbernen Wanderers’ gebeten hatte.

Cendrasch hatte von den Aushängen gehört, die Zelda Drabenstein im Namen ihres Vaters hatte schreiben und in ganz Weiß-Tobrien aufhängen lassen. Auch wusste der Junker von den guten Kontakten des Inganzius von Drabelstein, der in seiner Antwort schrieb, sich auch an den Adel des Herzogtums wenden zu wollen. Und dennoch, diese große Resonanz war unerwartet für den Zwergen.

Der Platz, an dem auch der kleine Ingerimm- Tempel Waidbruchs stand, war voll von Gerüsteten. Es war eine kleine Armee, die sich eingefunden hatte, um auf die Jagd nach dem ‘Silbernen Wanderer’ zu gehen.

Und wer nicht alles gekommen war.

Ins Auge viel Cendrasch zunächst eine größere Gruppe Söldner in Halbbanner-Stärke, die sich in einer losen Gruppen versammelt hatten. Es war ein bunter Haufen und der Junker war sich nicht sicher, ob er jeden einzelnen von ihnen für rechtschaffen halten sollte. Aber was erwartete er- es waren Mietlinge.

Gorm hatte sie ihm als Stein- und Dunkelwölfe des Sturmbanners gemeldet. Groth und sein Zwilligsbruder waren, als engste Vertraute des Junkers bereits seit der Ankunft der ersten ‘Besucher’ dabei für ihn Informationen einzuholen, damit er sich einen Überblick verschaffen konnte.

Berichtet hatten die beiden Cendrasch von einem gewissen Angus Tore von Danbarr, einem Riesen von einem Mann, seines Zeichens Rudelführer der Steinwölfe.

Lange schwarze Haare und ein Vollbart umrahmten ein freundlich dreinblickendes Gesicht mit strahlend blauen Augen. Der Söldner hatte bestimmt schon mehr als vierzig Sommer auf dem Buckel, doch seine Erscheinung ließ so manchen Mittzwanziger im Schatten stehen. So lautete seine Beschreibung und Cendrasch meinte die Gestallt auf dem Platz unten ausmachen zu können.

Dann war da noch Alrine Wolfgrimm, die Rudelführerin der Dunkelwölfe. Die mittelgroße Frau mit der bunten, tulamidischen Kappe im Nacken hatte sicherlich ebenfalls die vierzig Sommer überschritten und wirkte nicht wie eine erfahrene Kriegerin, eher wie eine Waldläuferin, trotz des grauen Waffenrocks den die Frau trug. Vielleicht weil sie die letzten Jahre in Ilsur verbracht hat, wie einer der Zwillinge angemerkt hatte. In Ihrem Halbrudel befanden sich weitere Söldner, die dem Eindruck der Zwillinge nach nicht wegen Sold sondern anderen Gründen in diesem Rudel dienten. Einer von diesen schien ein Angroschgeweihter, der andere ein Magier zu sein. Dieser seltsamen Konstellation würde der Junker nachgehen. An Zufälle glaubte er nicht.

Aus Quellensprung hatte sein Freund Kendrick von Hagensmoor weitere Söldner- ein halbes Rudel entstand, welches von Dalero von Haalen befehligt wurden.

Der Ritter zur Zankenburg wirkte neben dem Junker ein wenig fehl am Platze. Zwei schlecht verheilte Narben verunzierten sein Gesicht. Eine senkrecht unter dem rechten Auge und die andere quer über die linke Wange gaben dem Mann ein weniger verwegenes, als mehr unheimliches Aussehen.

Bei dem Besuch der Beiden in Cendraschs Arbeitszimmer hatte er seine leichte Ledergugel, die das Gesicht in einen Halbschatten hüllte, auf dem Kopf belassen. Und während sich der Junker mit Kendrick von Hagensmoor im Sitzen ausgetauscht hatten, hatte sich Dalero im Hintergrund gehalten und stets schräg hinter dem Vogt von Quellensprung gestanden. Niemals hatte er dabei die Tür des Raumes aus den Augen verloren. Die Körperhaltung ließ dabei nicht erkennen, ob er dort einen möglichen Fluchtweg ins Auge fasste, oder erwartete, dass sie jeden Moment eine Schar von Angreifern ausspucken würde.

Der Vogt von Quellensprung jedenfalls führte ein Gruppe von zwölf Dunkelsteiner Waldjäger und wurde zudem von dem in die Jahre gekommenen Jagdmeister Eldan Darben begleitet.

Darüber, dass Kendrick höchstpersönlich gekommen war, freute sich Cendrasch besonders. Viele Freunde hatte er unter den Kurzlebigen Tobriens noch nicht gefunden seit seiner Belehnung durch den Herzog, doch den Vogt von Quellensprung zählte er dazu.

Dann waren da die Cendrasch, durch ihre vorherigen Besuche in Einsentann bestens bekannten Hammerschwingerinnen. Ganze zehn stolze und wehrhafte Maiden waren es, begleitet durch einen Geweihten der Kirche des Roten Gottes.

Rhys von Perainefurten war ein großer, bulliger Mann mit wirren, pechschwarzen Haaren und starrenden, dunkelbraunen Augen. Er hatte das vierte Jahrzehnt an Lebensalter noch nicht erreicht, wirkte aber wegen dem struppigen Vollbart, den fast zusammengewachsenen Augenbrauen und sein verhärmtes Gesicht deutlich älter.

Mit seinem langstieligen Hammer, der mehr wie eine Waffe, denn als ein Ritalgegenstand wirkte und der dicken Kleidung aus gehärtetem Leder, wirkte er recht Wehrhaft.

Niemand jedenfalls, den Cendrasch im Dunkeln begegnen wollte.

Er stand ebenfalls dort unten.

Auf den kräftigen Hammerschwingerinnen verharrten Cendraschs Augen, als sie sie dann erreicht hatten, länger, als es die einfache Musterung der angetretenen Kräfte erfordert hätte. Er grinste in einem Anflug von Selbstironie. Ja, sie gefielen ihm, auch wenn sie natürlich viel zu groß und weniger Anmutig wirkten, wie beispielsweise eine Angroschna aus seiner Heimat Tosch-Mur. Dort, unter den Groschaboroschim- den Kindern des Amboß, gab es auch Zwerginnen, die das Kriegshandwerk erlernten, oder sich als Söldnerinnen verdingten. Etwas, dass unter den anderen Völkern der Angroschim unmöglich schien.

Aus Tirandur war Vogt Jarlwulf Groterian nebst seiner ältesten Schwester Firunja gekommen. Cendrash erinnerte sich beim Apfelfest vor einiger Zeit eine andere Schwester des Vogts kennen gelernt zu haben, die in Begleitung eines erfahrenen Recken gekommen und einige Fässchen Met mitgebracht hatte. Diese beiden hier hatten jedoch - abgesehen von den schwarzen Locken - nicht viel gemeinsam mit ihrer charismatischen Schwester, die es verstand viele der Anwesenden in kurzer Zeit für sich einzunehmen und die stets ein freundliches Wort für jeden zu haben schien. Nun ja, diesem stählernen Ungetüm war ja auch durch warme Worte nicht beizukommen.

Vogt Jarlwulf zählte vermutlich noch nicht ganz dreißig Götterläufe und er war nicht gerade ein Hüne unter den Menschen. Bewaffnet war er mit einer stabilen Saufeder und einem schweren Schild. Seine Rüstung war eine Art Schuppenpanzer.

Firunja Groterian sah ihrem Bruder recht ähnlich, allerdings trug sie ihre schwarzen Locken etwas länger als er. Gerüstet war sie auf die gleiche Weise wie der Vogt, nur das sie zusätzlich eine Axt an der Seite trug.

Die Geschwister wurden von drei erfahrenen Söldnern begleitet. Die schweren Armbrüste, die die Mietlinge geschultert hatten, ließen Cendrasch grimmig nicken. Ja, sie würden Durchschlagskraft benötigen, wenn sie die Kriegsmaschine erst einmal gestellt hatten. Und sicher war, dass selbst die Suche nach dem Panzerschreiter eine große Herausforderung sein würde, denn kein Jagdhund würde die Witterung nach dem metallischen Monstrum aufnehmen können.

Weiter schweifte Cendraschs Blick und er fiel auf Schwertschwester Leonida von Dogul, die gerade lächelnd zu Firunja Groterian ging - Cendrasch erinnerte sich, dass der Vogt von Tirandur per Boten hatte ausrichten lassen, dass er auf dem Weg im Tempel zur Wacht am Dogul um Beistand ersuchen werde. Mit der Geweihten, die dann sogar kurz vor den Triandurern eingetroffen war, hatte sich der Krieger aus Tosch-Mur vom ersten Moment an ausgezeichnet verstanden. Mit geschultertem Rondrakamm war sie sein Arbeitszimmer getreten, um sich vorzustellen. Wie es sich für eine Geweihte der Sturmgöttin “gehörte”, war sie - selbst für einen Menschen - recht groß und trug sowohl ihr langes Kettenhemd als auch den Rondrakamm zweifellos ohne Mühe. Cendrasch war zwar nicht entgangen, dass sie das linke Bein etwas nachzog, doch das war für eine Geweihte der Göttin vermutlich kein größeres Problem. Gorm hatte ihm zugezwinkert, da er die Dienerin der Sturmherrin ohne Vorwarnung bei ihm abgeladen hatte. Der erste Eindruck zählte und der war nachhaltig gewesen. Cendrasch hatte der glatzköpfigen Rondrianerin, mit der Stimme wie fernes Donnergrollen vom ersten Moment an ehrlich Respekt entgegengebracht.

Als Kinder der Wacht verehrte Cendrasch Rondra als Angroschs Weib. Ehre, ein strenger Wertekodex und eiserne Disziplin, all dies war ihm nicht fremd. Krieger der Angroschim waren aus heißem Stahl geschmiedet. Einem Stahl, der aber gleichwohl biegsamer war, als der von Geweihten der Göttin nach menschlicher Wertvorstellung. Aber Cendrasch hatte im Bewusstsein der Differenzen, die daraus erwachsen mochten, schwerere Themen gemieden.

Mit ihr, wie auch mit einzelnen der Truppenführer, hatte Cendrasch gleich nach deren Ankunft gesprochen, so auch mit Kendrik und Jarlwulf Groterian, doch noch nicht mit allen gemeinsam. Sein Arbeitszimmer war so hoch frequentiert gewesen wie noch nie und seine Reserven an Schnaps waren arg strapaziert worden. Ein geringer Preis dafür, was er von den Gästen erwarten konnte.

In diesem Moment vernahm Cendrasch Schritte hinter sich und drehte sich um. Er hatte ohnehin alle Versammelten in Augenschein genommen. Es war Groth, der die innenliegende Treppe des Wehrturms mit geschulterter Axt herauf kam, offensichtlich um mit ihm zu sprechen.

“Sie sind alle angetreten dort unten”, sagte sein Freund und Cendrasch nickte wissend, dass er recht hatte.

“Du solltest mit den Befehlshabern sprechen und dann rasch zur Jagd rufen. So viele Mäuler kann Eisentann nur ein paar Tage ernähren und ihr eigener Proviant wird sicher nicht lange reichen”, schlug Groth vor.

Abermals nickte Cendrasch. Groth sprach aus, was auch der Junker bereits erkannt hatte. “Das habe ich vor”, ergänzte er daher energisch. “Ruf deinen Bruder. Ihr werdet mich begleiten. Ich fühle mich besser, wenn ich weiß, dass ihr mir dort unten ‘Deckung’ gebt.”

Gerade wollte sich Cendrasch nach der Ausgabe dieses Befehls der Treppe zuwenden, um den Weg hinab zum Platz anzutreten, als in der Ferne ein Horn geblasen wurde. Ruckartig drehte sich der Junker wieder um und spähte zum Horizont. Der Ruf war von weit jenseits der Befestigungen gekommen, aus dem Rahja, nicht von Grenze zum Feindesland. Doch war er deswegen im ersten Moment nicht weniger alarmiert.

Der Zwerg registrierte, wie unter ihm auf den Wehrgängen der Motte Hektik ausbrach und seine Männer zusammenliefen, um wie er zu sehen, wer sich da so großspurig ankündigte.

“Ist das ein Spielmannszug, den ich da höre?”, fragte Groth mit einem vollkommen irritierten Gesichtsausdruck. Cendrach hörte es in dem Moment auch- da war Musik, schüttelte aber dennoch den Kopf, da er nicht wusste, was das zu bedeuten hatte. “Ich habe keine Ahnung.”

Dann riss die Nebelbank, welche über den feuchten Feldern rund um das Wehrdorf lag auf und dem Junker klappte der Unterkiefer herunter.

“Kneif mich”, forderte er seinen Freund an und dieser tat ohne zu Zögern wie ihm geheißen, wusste er doch, dass sich diese Chance nicht allzu häufig bot. “Bei Angroschs gigantischen Klöten”, stieß Cendrasch hervor und fing an zu lachen.

Zwei volle Kompanien Soldaten, angeführt von etwa einem Dutzend Spielleuten des Zuges, marschierten in ordentlicher Formation auf Waidbruch zu. Das Banner mit dem doppelköpfigen Wolf wehte zuvorderst im Wind.

“Das sind die Farben des Herzogs. Tobrien ist gekommen”, brüllten die Wachen von den Wehrgängen. Auch sie hatten erkannt wer sich da näherte.