ET26 BiE Sohn der Schwanentochter

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Briefspiel
Sohn der Schwanentochter
Region: Ysilien
Ort: Junkertum Eisentann
Zeitraum: 11.04.1044 BF
Beteiligt: Cendrasch Sohn des Chrysoprax, Gerion Eikanjuk aus Lettaschlinge, Geweihter der Ifirn, Sayalana Sindarian Sterntreu de Valoisé
Kapitel:


Als sich Sayalana und Cendrasch nur wenig später vor dem Kamin des Herrenhauses wieder trafen, hatten sie sich bereits ihrer klammen Kleidung entledigt und Gelegenheit gehabt, sich zu waschen. Die wohlige Hitze des knisternden Feuers genießend, streckte der Junker seine Glieder unter den Esstisch, den ein vorrausschauender Geist inzwischen gleich neben der Feuerstelle dort aufgestellt hatte, wo noch am Morgen der kleine, runde Beistelltisch gestanden hatte.
Die Haushälterin des Junkers und dessen Angebetete, blieb stumm, schenkte der Geweihten aber ein warmherziges Lächeln, als sie zwei dampfende, irdene Becher vor die beiden abstellte. Cendrasch griff sogleich danach und erhob ihn. “Auf den Plan des Weltenschöpfers und die Rolle des himmlischen Fuchses darin”, sprach der Zwerg und zwinkerte Sayalana offensichtlich gut gelaunt zu.
Saya schnupperte kurz und erkannte den Rumtopf. Daraufhin schenkte sie der Zwergin ein dankbares Lächeln und prostete dem Hausherren zu. “Auf ein gutes Geschäft für beide Seiten”, beantwortete sie Cendrasch Trinkspruch.
Erneut breitete sich die an diesem Abend besonders willkommene innere Wärme des fruchtigen Brandes in Sayalana aus und auch Cendrasch lächelte, während Rubinaxa nun Teller und Besteck auf dem Tisch verteilte.
“Nun”, setzte der Junker wiederum zu sprechen an, stellte seinen Becher ab und lehnte sich über die Lehne des Sessels, um nach einer kleinen, flachen Kiste zu greifen, die neben seinem Platz auf dem Boden stand. Sie war bereits dort gewesen, als Sayalana die Stube betreten hatte.
Cendrasch öffnete den Beschlag der Kiste, welche 30 Halbfinger breit, 20 tief und vielleicht 15 hoch sein mochte und griff hinein. Zum Vorschein kam ein kleiner, matter Metallbarren mit rauer Oberfläche, den Cendrasch Sayalana über den Tisch reichte. Es war unzweifelhaft Eisen, die Geweihte kannte die silberne Farbe gut und das Gewicht in der Hand ließ keinen Zweifel aufkommen.
“Dies ist Roheisen, welches wir in Eisentann gießen”, erklärte der Junker. “Es gibt Kohlenmeiler tief versteckt in den Wäldern, ebenso wie einen Ofen, in dem das Erz verhüttet wird. Die Bedingungen sind nicht ideal, aber wir werden besser.”
~*~

Federnden Schrittes folgte Gerion dem Knüppeldamm in Richtung Waidbruch auf eine Hügelkuppe zu. Als er über den Hügel blicken konnte, lächelte er und dankte der milden Herrin - das Dorf lag friedlich im Mondlicht vor ihm ausgebreitet. Er war sich nicht sicher gewesen, ob er nicht doch noch einmal eine Nacht draußen verbringen müsste und zudem wurde ihm der Rehbock über den Schultern langsam schwer. Wieder einmal hatte er den Weg etwas kürzer eingeschätzt. Auf dem letzten Stück des Weges fragte er sich erneut, warum Sayalana ihn mit ihrer Nachricht am Konzil hierher gebeten hatte. Vielleicht hatte dieser Ort besonders viel Unterstützung nötig? Leider war die Reise gen Eisentann weniger schnell verlaufen, als er sich das vorgestellt hatte - der Zwischenhalt im Kloster des Dreischwesternordens fiel länger aus als geplant. Aber wer wäre er, tätige Hilfe dort zu verweigern, wo sie gerade so dringend gebraucht wurde?
Mit dem letzten Stück des Weges vertrieb er diese und ein paar weitere grüblerische Gedanken und rief aus einem guten Stück Entfernung die Torwachen an. Seine Vorstellung als Geweihter der Ifirn Gerion Eikanjuk aus Lettaschlinge vom Zwölfgöttlichen Konzil mit dem Ansinnen den Junker Cendrachsch von Eisentann und Sayalana Sternentreu zu suchen öffnete ihm alsbald das Tor. Er trat hindurch und sah neben den Wachen nur wenige Leute im Inneren der Palisade. Wahrscheinlich war gerade Essenszeit? Ein Grummeln in Gerions Magen deutete jedenfalls darauf hin. Er wandte sich freundlich an einen der Beiden: “Entschuldigt mich, aber ich weiß nicht wies hier Brauch ist. Soll ich lieber hier im Dorf auf den Junker warten oder gleich hinauf zum Herrenhaus?”
“Wartet eure Gnaden”, sprach einer der Torwachen mit dem harten Akzent der kleinen Rasse und machte sich daran, die Leiter vom überdachten Wehrgang hinabzusteigen. Unten angekommen wandte sich der Angrosch erneut an den Geweihten. “Kann ich euch die Jagdbeute abnehmen?”
Angenehm überrascht beugt sich Gerion leicht nach vorn, um den gehäuteten und ausgenommenen Bock über den Kopf zu heben. “Sehr gerne, habt vielen Dank.” Der Geweihte war angenehm überrascht ob der freundlichen Geste am Tor des Weilers.
Der Angroscho nickte. “Mein Name ist Kolon groscho Kodnan. Ich bringe euch zum Herrenhaus hinauf. Oben werde ich den Bock zum Zerlegen in der Küche abgeben.”
Gerion nickt und schließt sich dem Angroscho an. Einige Herzschläge vergehen und die beiden stapfen über die Freifläche des Dorfes in Richtung der Brücke. Der Geweihte wägt seine nächsten Worte einige Herzschläge. Den tobrischen Adel hatte er als recht konservativ kennengelernt, was Jagdbeute angeht, und auch Zwergen sagte man ja Traditionsbewusstsein nach. Ob Zwerge wohl auch sehr strikte Regularien hatten, was den Verzehr von Jagbeute und das Tragen von Pelzen anging? Er wusste es nicht. Doch der freundliche Empfang sprach für sich und so beschloss er, es zu wagen. Er räuspert sich und ergänzt: “Hrm, hrm, nun, wo ich herkomme, aus dem Hohen Norden, da bringe ich der Herrschaft nur die Filetstücke von der Beute. Den Rest gebe ich ganz im Sinne der Milden Herrin an die restlichen Bewohner des Fleckens, auf dass alle eine satte Mahlzeit mit Fleisch erhalten.” Mit verschwörerisch hochgezogenem Mundwinkel entbietet Gerion seinem Begleiter ein freundliches Lächeln. “Wie handhabt ihr das hier, Meister Kolon? Soll ich die besten Stücke schnell entnehmen und der Rest kommt den anderen Bewohnern dieser Ortschaft zugute?” Neugierig und gleichzeitig ein wenig angespannt ob eines möglichen Rüffels wartet der Prolegat auf die Antwort und bittet innerlich Ifirn, dass auch Zwerge wissen, wer hilfsbedürftig sein mag und wer ohne Not für sich selbst sorgen kann.
Kolon überlegte einen Moment, wie er dem Geweihten angemessen Antworten sollte, dann sah er zu Gerion hinauf, während sie kontinuierlich ihren Weg fortsetzten und bald das inneren Tor passieren würden.
“Hauptmann Cendrasch, äh, ich meine, der Junker bevorzugt eher das fette Fleisch, vor allem beim Schwarzwild. Das gilt aber auch für Damm- und Rotwild. Und in Eisentann ist es üblich, dass ein großer Kessel Eintopf gekocht wird, wenn der grimme Herr dieser Lande uns eine solche Jagdbeute gewährt. Von dem Eintopf würden wir also alle etwas haben, wobei die Männer und Frauen unter Waffen einen größeren Anteil erhalten.
Letztlich aber ist es eure Jagdbeute und die wird Meister Cendrasch euch nicht streitig machen eure Gnaden. Wenn ihr sie selbst ausnehmen und aufteilen wollt, dann soll dem so sein.”
Angenehm überrascht nimmt Gerion die wohl erwogene Antwort des Angroscho wahr und schenkt Kolon ein erfreutes Lächeln. “Nun, da hört sich das übliche Vorgehen ja nach einer sehr gut gewählten Vorgehensweise an. Ein Eintopf für Alle erfreut Ifirn und wir wollen natürlich sichergehen, dass der Junker genau das bekommt, was ihm mundet..” Interessiert fragt der Geweihte nach: “Wo hat den der Junker als Hauptmann gedient? Und soll ich beim Ausnehmen gleich helfen?”
“Meister Cendrasch”, entgegnete die Torwache bereitwillig, “diente Hochkönig Albrax auf Okdrâgosch- der Schwarzdrachenwacht, wie ihr sie nennt, bevor er zum Feldzug gegen Haffax entsandt wurde. Nach dem Tod vieler Offizierer auf dem Weg nach Mendena, wurde er zum Hauptmann des zweiten Banners der Fürstlichen Hellebardiere- der Orkentrutz berufen. Dort diente ich, sowie auch andere meiner Brüder, die ihn hierher nach Tobrien begleitet haben, unter ihm.
Was den Bock betrifft.” Kolon zuckte mit den Schultern, was das tote Tier einmal auf- und abwippen ließ. “Müsst ihr Rubinaxa fragen. Sie ist die Haushälterin Cen… des Junkers.”
Er folgt dem Torwächter weiter auf dem Weg zur Motte. “Rubinaxa? Das hört sich nach einem Namen der Zwerge an. Hat sie auch unter dem Junker auf dem Feldzuge gedient?”
Die Wache schüttelte den Kopf. “Nein. Meister Cendrasch umwirbt Rubinaxa seit vielen Jahren. Das sie ihm hierher gefolgt ist lässt ihn hoffen, dass sie seine Frage nach dem Bund von Feuer und Erz bald zustimmen wird.” Der Angroscho zwinkerte Gerion verschwörerisch zu und flüsterte: “Er muss nur die Eier haben sie wieder zu fragen.”
Gerion lächelte verschmitzt, als der Zwerg ihm dieses Geheimnis zuraunte. Er beschloß jedoch, sich vorerst nicht allzu schnell auf das Glatteis von Beziehungen zwischen Mann und Frau in einer anderen Kultur führen zu lassen und meinte vorsichtig: ”Das hört sich an, als würde es denselben Mut erfordern wie einen Drachen zu erlegen. Da wir gleich bei ihr eintreffen… was meint ihr? Wie gefährlich ist Rubixana?” Auch Gerion warf dem Angroscho nun ein Augenzwinkern zu.
Kurz hatte Gerion das Gefühl, die Miene des Angroschos würde sich verfinstern. Das Wort Drache schien Missfallen in ihm geweckt zu haben. Doch dann senkte sich die Stimme der Torwache zu einer erneuten Entgegnung und er flüsterte betont ernst, aber mit erkennbarer Belustigung: “Wenn euch euer Leben lieb ist, dann äußert ihr so einen Vergleich niemals in der Gegenwart einer Angroschna. Rubinaxa ist eine gute Frau, aber man steigt auch nicht ohne triftigen Grund in einen schlafenden Vulkanschlot, oder?”
Für einen Augenblick hatte Kolon ihn tatsächlich überzeugt, den Bogen überspannt zu haben. Der Geweihte holte bereits Atem, sich wortreich zu entschuldigen, als er die Erheiterung seines Gegenüber erkannte und entgegnete mit lächelndem Nicken: “Ich werde mich hüten diesen Vergleich zu wiederholen. Habt Dank für Euren Rat.” Mit guter Laune über den freundlichen Empfang folgt er dem Angroscho weiter in die Motte.
~*~

Derweil im Herrenhaus der Hochmotte besah Sayalana sich das Stück Eisen und wog es auch in der Hand. “Leider habe ich keinerlei Erfahrung damit, die Güte von Metallen einzuschätzen”, gab sie bedauernd zu. “Aber ich bin ja nicht allein hierhergekommen. Ich würde das gern der Dame Lowanger morgen zeigen. Ihr Hauptgeschäft ist zwar Wolle, aber sie hat auch Erfahrung mit Metallen.”
“Gut”, kommentierte Cendrasch mit einem zustimmenden Nicken. “Mein Gießmeister kann unterschiedliche Qualitäten herstellen. Ich freue mich auf einen Austausch mit der Dame Lowanger. Wir werden sicher zu einer Einigung…”
In diesem Moment klopfte es an der Tür zur guten Stube und Cendrasch blickte verwundert auf. “Ja”, sprach er fragend in Richtung Tür, welche sich daraufhin öffnete. Es war wie erwartet Rubinaxa die daraufhin im Rahmen erschien. “Es ist Besuch eingetroffen", sprach die Haushälterin mit ihrer warmen Stimme. “Ein weiterer Geweihter, Gerion Eikanjuk aus Lettaschlinge.”
“So?”, der Junker wirkte sichtlich überrascht und warf einen kurzen Seitenblick zu Sayalana, erhob sich dann jedoch rasch von seinem Sessel am Feuer. “Lasst seine Gnaden eintreten.”
Saya war zwar ebenfalls kurz verblüfft, ob der Nachricht, lächelte dann aber und erhob sich ebenfalls. Gerion war also tatsächlich gekommen.

Er war zwar spät angekommen und doch hatte man ihm noch eine Gelegenheit geboten, sich kurz ein wenig zu waschen und sich ordentlich Wasser ins Gesicht zu spritzen. Mehr war nach Gerions Meinung auch nicht nötig - man befand sich ja nicht in Almada. Kurz blickte er noch an sich hinunter und nickte sich innerlich zu. Die hellblaue Gewandung mit den weißen Säumen und dem großen Schwan sollte ihn ordentlich genug als Geweihten der Ifirn ausweisen. Und ob er einen Göttinnendienst abhalten würde oder sollte, würde bestimmt von seinem Eindruck auf die Herrschaften vor Ort abhängen. “Habt vielen Dank.” sagte er zu Rubinaxa, die ihn eben angekündigt hatte und trat dann durch die Tür. Wärme, Knistern und der Geruch verbrennenden Holzes im Winter sorgten bei Gerion sogleich für ein sehr angenehmes Gefühl. Der Geweihte verneigte sich, abhängig von der Beurteilung eines Herolds, vielleicht ein wenig zu tief vor dem Junker. “Ifirn zum Gruße, Euer Wohlgeboren.” Danach wurde auch Sayalana ein freundliches Nicken zuteil. “Ifirn und Phex zum Gruße, Sayalana.” Sayalana bemerkte die leichte Unsicherheit des Geweihten, wie er ihr in diesem Rahmen begegnen sollte durfte - offenbar war Gerion nicht ganz sicher, ob sie in diesem Rahmen die gleiche Nähe Zulassen wollte, wie in ihrer almadanischen Heimat oder am Konzil. Den kurzen Seitenblick quittierte die Füchsin mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln.
“In Travias Namen, tretet ein und wärmt euch am Feuer. Ihr müsst einen langen Weg hinter euch haben, aber ihr habt euch einen guten Moment ausgesucht. Wir werden gleich essen. Seid mein Gast”, begrüßte der Junker den Geweihten mit einem offenen Lächeln und wies auf den Platz, auf dem er noch kurz zuvor gesessen hatte. Auf die Worte des Junkers antwortet Gerion mit einem freundlichen Lächeln und ergänzt mit einer kleinen Verbeugung “Habt vielen Dank.”
“Rubinaxa?”, sprach Cendrasch dann mit weicher, fast liebevoller Stimme in Richtung seiner Haushälterin. “Bring bitte noch ein Gedeck und einen Becher mit Brand.” Die Angesprochene nickte und schloss die Tür hinter sich, derweil Gerion in die gute Stube trat. Sayalana nutzte diesen Moment und trat mit ausgebreiteten Armen auf den Irfingeweihten zu. “Willkommen, Bruder. Schön, dass du meine Nachricht bekommen hast und es geschafft hast.” Sie umarmte Gerion herzlich und genauso zwanglos wie sie es in Almada getan hatte. Gerion erwidert Sayalanas freundliche Begrüßung. “Ein wenig zu spät, aber ich freue mich sehr, Dich wiederzusehen.” Eine Geste der Freundschaft, die den Junker eine Augenbraue heben ließ. Es war jedoch keine Missbilligung, die seine Miene zeigte. Nein, Cendrasch amüsierte die Vertrautheit und die Worte Sayalanas, sprach doch beides dafür, dass die Geweihte des himmlischen Fuchses, wie immer, für eine Überraschung gut war.
Der Junker ging daraufhin zur anderen Seite der Stube, wo sein massiver Schreibtisch stand, hinter dem eine Vielzahl von Jagdtrophäen an der Wand hing. Er trug den sich dort befindenden Stuhl zum Esstisch herüber, um sich zu den Geweihten setzen zu können. Gerion bemerkte derweil einen schmucklosen Stirnreif, der über einem niedrig hängenden Geweih hing.
“Nun euer Gnaden, wenn denn diese Anrede korrekt gewählt ist in eurem Falle”, Cendrasch warf Sayalana einen kurzen, zweifelnden Blick zu. “Verzeiht mir, wenn ich falsch liege und erzählt mir, was eure Wege nach Waidbruch geführt haben?”
“Nun, mein Weg nach Weidbruch nahm seinen Beginn mit einer Nachricht von Sayalana an mich.” Gerion wies mit der Handfläche nach oben kurz in ihre Richtung. “Soweit ich das verstanden habe, geht es um die Sicherung von Weg und Steg hier in Eisentann?” Gerions Stimme deutete dabei eine leichte Frage an - besonders viele Details waren wohl in der Nachricht nicht enthalten gewesen. “Und eigentlich war Legatin Tannlieb beteiligt, aber dann verhindert. Und da ich ihr Stellvertreter bin und mich ja auch ein wenig im Freien auskenne”, er lächelte, “kann ich hier dann auch behilflich sein. Leider wurde ich auf dem Hinweg aufgehalten. Da ich vor einiger Zeit an der Gründung eines neuen Klosters vom Dreischwesternorden in der Tesralschlaufe beteiligt war, habe ich angelegentlich gleich ein paar Spendengüter mit auf die Reise genommen.” Sein Blick verdüsterte sich ein wenig. “Ein Achsbruch und ein Überfall haben meine Begleiter und mich aufgehalten, so dass ich nun ein wenig später hier angekommen bin als geplant.” Darauf verwarf er einen dankbaren Blick gen Alveran und ergänzte: “Dafür hat die milde Herrin gegeben, dass der Rest meines Weges ohne weitere Hindernisse vonstatten ging. Aber wie genau kann ich nun an dieser Stelle behilflich sein.” Mit einem schnellen Nachsatz ergänzt der Geweihte noch: “Achso, der Titel ist korrekt.”
Während sie sprachen und sich setzten, trat Rubinaxa wieder in die Stube und stellte stumm erst einen dampfenden und nach Beeren und Gebranntem duftenden Krug vor Gerion ab, bevor sie mit einem Lächeln um die Mundwinkel ein neues Gedeck vor den Junker auf dem Tisch platzierte.
Cendrasch gab Gerion indes kaum Zeit für sich zu ergründen, welche Art Gebräu ihm da eingeschenkt worden war. Der Junker hob seinen Becher und sah seine Gäste auffordernd an. “Auf das freie Tobrien- das Land des Wolfes. Auf den grimmen Herren dieser Lande und seine milde Tochter. Auf diese eher… ungewöhnliche Konstellation und die Möglichkeiten, die daraus für Eisentann erwachsen mögen”, sprach Cendrasch sichtlich zufrieden mit den Wendungen des Tages.
Sayalana hob ihren mittlerweile nur noch halb vollen Becher bei Cendrasch Worten, um mitzutrinken. Kurz überlegte sie, ob sie Gerion warnen sollte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Potentielle Quellen für Spaß musste man nicht zuschütten. Gerion sah erfreut über den Trinkspruch aus und hob natürlich auch seinerseits den Krug. Er nickte den beiden anderen mit einem: “Darauf trinke ich gerne” freundlich zu. Einen kurzen Moment genoss er das Beerenaroma, als er den dampfenden Krug an die Lippen setzte, um dann einen herzhaften Schluck aus dem Gefäß zu nehmen.
“Gut”, beschied schließlich der Junker, als er seinen Becher absetzte und vor sich auf dem Tisch platzierte. Gerion indes bemerkte, dass der Brand ein schweres Gebräu war, dessen Gehalt an Hochprozentigem von einer ausgesprochen angenehmen Mischung an Waldbeeren weitgehend verdeckt wurde, so dass er nicht allzu scharf wirkte. Die Wärme, jedoch, die das dickflüssige Gebräu in den Innereien verströmte, war wohltuend und eine willkommene ‘Ergänzung’ des offenen Feuers des Kamins der guten Stube.
“Sayalana”, sprach Cendrasch nun die Geweihte des Fuchses an, während er sich mit der rechten über den Bart strich. "Wärest ihr… wärest du nun so freundlich mich… oder vielmehr uns aufzuklären, welche Rolle du unserem Gast in dieser… Geschichte zugedacht hast? Ich bin schon ein wenig neugierig”, fragte er mit betont nüchterner Stimme, wobei das Zucken seiner Mundwinkel und die vertieften Fältchen um seine stahlgrauen Augen ein etwas anderes Bild zeichneten.
Ein unschuldiges Achselzucken war die Reaktion der Phexgeweihten. “Ich hatte gar keine so großartigen Hintergedanken. Vor Borbarad war die Verehrung von Firun und Ifirn in Tobrien weit verbreitet. Auf dem Land war der Winterherr ähnlich angesehen wie Travia oder Peraine. Mit Phex hingegen können die Leute auf dem Land wenig anfangen. Ich dachte mir, wenn ich schon herkomme, dann doch am besten zusammen mit einem Gottesdiener, der die Bevölkerung versteht und erreicht. Immerhin sind wir auch für das Seelenheil der Menschen zuständig.
Eisentann hat sehr viele Wälder und wenig Ackerland, also hab ich mich an die Firunkirche gewand. Und ganz nebenbei hatte ich mal wieder so ein Gefühl, dass es richtig ist, was ich tue. Das lässt sich schlecht erklären, manchmal habe ich spontane Ideen und bisher bin ich immer ganz gut damit gefahren, ihnen nachzugehen.”
Cendrasch nickte bedächtig. “Wohl gesprochen. Dem gibt es nichts entgegenzusetzen. Selbst ich, der ich ein Kind des Allvaters bin, spüre den Einfluss des Weißen Jägers auf mich wachsen seitdem ich in Tobrien lebe.” Der Junker tat einen kurzen Seitenblick auf Gerion, bevor er weitersprach. “Ihr habt gut daran getan einen SEINER Diener hierher einzuladen.” Wiederum glitt der Blick des Junkers zu Gerion, diesmal aber, um bei ihm zu verharren.
“Ich muss euch aber eingestehen, dass ich noch keinen Kontakt zu einem Diener der Schwanengleichen hatte. Vergebt mir also, wenn ich nur eine grobe Vorstellung von der milden Tochter des Alten vom Berg habe. Seid euch aber gewiss, dass ich kein starrköpfiges Kind der Eisenberge bin. Ich habe unserem Hochkönig gedient, zu dessen Anhängern nicht nur Angroschim, sondern auch Menschen und vereinzelt Elfen gehören. Und ich habe im Kosch gelebt und gedient. Beides hat mich vieles gelehrt- auch Toleranz und Akzeptanz. Ich weiß inzwischen, dass wenn ich hier bestehen will, ich auf Hilfe angewiesen bin.”
“Eine Hand wäscht die andre, sagt man bei uns Füchsen.” Warf Saya kurz ein, bevor sie Gerion aufmunternd zunickte.
Der Geweihte genoß den Geschmack und die Wärme des überraschend leckeren Getränks und lächelte, als Sayalana ihre spontanen Ideen erwähnte. “Nun, der grimmige Herr Firun hat einen großen Einfluss auf seine milde Tochter. Man könnte sagen, er schenkte ihr das Frostige, was uns erlaubt, in den widrigen Weiten der kalten Lande zu überleben. Wir finden uns in Schnee und Eis zurecht, und Ifirn gab uns Menschen Pfeil und Bogen, um uns das Tagwerk der Jagd zu erleichtern. Und diese üben wir sowohl für, als auch mit der Gemeinschaft aus - so wie ich heute gerne eine Gabe für das Abendessen mitgebracht habe. Das Liebevolle und Warme stammt von der mütterlichen Seite der Herrin. Sie ist auch die Tochter der Meriban, einer freundlichen Hirtentochter, die sich mit sanfter Hand um Tiere kümmert und Verletzten Hilfe anbietet. Und so reichen auch wir einem Schwachen den haltenden Arm und begleiten den Langsamen. Das ist es, was uns von den Dienern des Alten vom Berge unterscheidet. Während sie sehr schnell dabei sind, von Anderen Härte gegen sich selbst zu fordern, wie auch sie diese leben, reichen wir lieber zuerst die Hand zur Hilfe.” Gerion nahm noch einen kleinen Schluck des Gebräus. “Darum reisen wir häufig durch die Lande und stehen den meist kleineren Gemeinschaften im hohen Norden mit Rat und Tat zur Seite.” Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht. “Es mag auch sein, dass die Dorfvorsteher uns mögen, weil wir manch Behäbigen zum Dienst an der Gemeinschaft auffordern und mit gutem Vorbild vorangehen.”
Er holte Luft, setzte zu weiteren Erläuterungen an und unterbrach sich mit einem hochgezogenen Mundwinkel. “Aber ich gerate ins Schwafeln. Man möge mir verzeihen, dass ich gerne über die milde Herrin rede. Doch das Wichtigste ist ja die tätige Hilfe, darum meine Frage: Was gibt es genau zu tun? Und wie kann ich am Besten helfen?”
Cendrasch wirkte zunächst etwas unschlüssig, wie er diese Frage am besten beantworten sollte. Seine Miene war undeutbar und verschlossen, während seine Hand mehrfach über die Zöpfe seines Bartes strich, der aber auch bereits zuvor schon akkurat gelegen hatte. Er grübelte offenkundig über etwas nach. Mehrfach glitt sein Blick von Sayalana zu Gerion und zurück.
Schließlich kam er wohl zu einem Entschluss. Als er zu sprechen ansetzte, hatte seine Miene jedenfalls wieder einen offenen Ausdruck angenommen. “Ich würde euch gern mit einigen Bewohnern des Waldes bekannt machen, die den Kampf gegen das aufgenommen haben, was sich noch immer in den Tiefen des Eisentanns verbirgt”, sprach der Angroscho. “Sie können euch am Besten sagen, wie dem Land geholfen werden kann.”
Der Junker seufzte. “Es war ein Erkenntnisprozess, doch ich musste mir eingestehen, dass ich die Augen nicht vor ihnen verschließen kann und dass ich sie brauche, auch wenn ihr Werkzeug Madas… Gabe ist.”
Bei dem letzten Halbsatz wirkte Cendrasch irgendwie unzufrieden, zerknirscht und es war den beiden Götterdienern klar, dass es für den Zwergen nur schwer akzeptierbar war, dass Magie hier tatsächlich von Nöten war und Positives bewirken konnte.
Nochmals schnaubte Cendrasch. “Aber seid gewarnt, auch ihr, die ihr sicher schon mit einigen Druiden zu tun hattet, werdet eine Überraschung erleben.” Er lachte trocken und selbstironisch auf. “Oh ja, das werdet ihr!”
Der Geweihte hörte aufmerksam zu und gewann den Eindruck, dass dem Angroscho das Eingeständnis war, Hilfe entgegennehmen zu müssen durchaus schwerfiel. Mit einem Seitenblick auf Sayalana beschloss er, an dieser Stelle keine Scherze zu machen und dem Zwergen gegenüber offen zu sein. “Nun, ich habe tatsächlich schon mit Druiden zu tun gehabt. Allerdings muss ich zugeben, dass sie nicht die einfachsten und zuvorkommendsten Zeitgenossen sind.” Er überlegte kurz. “Und ich denke auch, dass sie im Zweifelsfall den Bedürfnissen der menschlichen oder auch zwergischen und elfischen Bewohner Tobriens nicht immer das höchste Gewicht beimessen.”
Eine gewisse Strenge in der Stimme zeigte, dass Gerion mit dieser Einstellung offenbar nicht besonders einverstanden war. “Wenn ich euch also richtig verstehe, leben im Einsentann Druiden, die gegen eine Bedrohung ankämpfen. Und wir werden wohl ihre Hilfe brauchen.” Ohne genau zu wissen, was auf sie zukommt, ging der Infirnsdiener offenbar schon davon aus, bei der Abwehr der Bedrohung seine helfende Hand auszustrecken. Er zog den rechten Mundwinkel ohne echtes Amüsement nach oben und ergänzte: “Eigentlich sage ich immer, dass ich Überraschungen mag.” Der Tonfall des Geweihten blieb dabei neutral und er wirkte nun fokussiert darauf zu erfahren, was im Argen lag - die Stimmung eines gemütlichen gemeinsamen Abendessens war nun wohl vorüber. “Aber in diesem Fall wird das wohl anders aussehen. Liegt denn mein zu erwartendes Erstaunen hauptsächlich in der Art der Unterstützung oder in der Art der Bedrohung?”
Wieder verzog der Junker sein Gesicht. Erneut dachten beide Götterdiener zuerst an Selbstironie, was der Zwerg zur Schau stellte. Cendrasch schüttelte amüsiert den Kopf und schnaubte. “Die Überraschung liegt in diesem Falle da, wo man sie im ersten Moment nicht vermuten würde, auch wenn die Bedrohungen in Tobrien vielfältig sind.”
Er machte eine kurze Pause und blickte erneut zur Phexgeweihten, dann rang er sich durch, näher auf das Thema einzugehen. Cendrasch schloss kurz die Augen, sammelte sich und setzte dann mit einer Frage an: “Was wisst ihr über Schamanismus und diejenigen, die ihn betreiben?”
Diese Frage überraschte ihn tatsächlich. “Über Schamanismus?” sprach er fragend in den Raum und unterdrückte den Reflex, eine direkte Gegenfrage zu stellen. “Hmm, in den Weiten der Lande im Firun gibt es verschiedene Gemeinschaften, in denen Schamanismus praktiziert wird.” Er strich sich kurz nachdenklich über den rotbraunen Bart. “Ich habe eine Zibilja kennengelernt und auch schon mit einer Schamanin der Goblins gesprochen.” Der Geweihte richtete seinen Blick nach oben und schien sich an Vergangenes zu erinnern. “Soweit ich das verstehe, wirken die Schamanen Magie. Und das obwohl sie sich im Gegensatz zu anderen Zauberwirkern ähnlich wie wir…” Er meint offensichtlich Sayalana und sich selbst. “...in ihrem Tun oft auf Götter oder andere Wesenheiten berufen.”
Gerion leerte mit einem letzten Schluck seinen Becher und sprach weiter: “Bisher ist mein Eindruck, dass ihr Wirken meist die Gemeinschaft, der sie angehören stärkt und ihr Überleben sichert. Und sie können oft mit denen, die sie leiten oder beschützen, durchaus Mächtiges bewirken. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, achte ich diejenigen, die diese Form der Magie betreiben, wobei es wie immer unter ihnen auch schwarze Karibus geben mag.” Er sinnt noch einmal kurz nach und hat noch einen Gedanken: “Ich habe zudem gehört, dass diejenigen, die man Trollzacker nennt und recht wilde Gesellen sind, wohl auch eine Art von Schamanen in ihren Reihen wissen. Aber die werden sich wohl eher in den Trollzacken als im Eisentann befinden. Ich hoffe, das hilft Euch weiter. Oder hattet Ihr eine genauer bestimmte Fragestellung im Sinn?”
“Oh ja, das hatte ich tatsächlich”, bestätigte der Junker. “Mein Vater ist ein Geode. Vielleicht bin ich aufgrund dieser Tatsache schon etwas ‘aufgeschlossener’ und weniger Granitschädel, was diese Themen betrifft. Jedenfalls folgte er mir hierher. Er und zwei Druiden leben in den Wäldern von Eisentann, wobei sie sich nicht um Grenzen scheren und auch die benachbarten Baronien ihre Heimat nennen. Das ist jedoch bei Weitem nicht alles.
Wir haben hier vor kurzer Zeit einen Panzerschreiter, eine von Haffax verflucht-beseelten Kriegsmaschinen mit großem Aufwand zur Strecke gebracht. Der Silberne Wanderer terrorisiert diese Lande seit der Befreiung von Weißtobrien. Dabei bekamen wir Hilfe von einem Schamanen.”
Nochmals machte Cendrasch eine Pause, wie als müsse er sich durchringen weiterzusprechen. Diesmal jedoch ging es schneller, als die vorherigen Male.
“Ein Schwarzpelz”, stieß er hervor und seine Stimme konnte die Abscheu nicht ganz verbergen die er verspürte. Cendrasch nickte, als er sah, wie sich Gerions Augen vor Überraschung ein Stück weit weiteten. “Ja, ein Ork. Und der Allvater weiß, dass ich im Begriff war ihn zu erschlagen, doch ein Waffengefährte- ein Freund, hielt mich davon ab. Welch eine Ironie: Ich war der Hauptmann der Orkentrutz, des zweiten Banners der Fürstlichen Hellebardiere im Kosch. Und nun musste ich mir eingestehen, dass dieser… Schwarzpelz ein Verbündeter ist und dass ich ihn brauche.”
Nun leerte der Zwerg seinen Becher und suchte offenkundig nach Regungen in den Mienen seiner Gäste.
Neben der Überraschung über die Umstände, war in Gerions Gesicht bei der Erwähnung eines Orken jedenfalls keine Abscheu zu erkennen, aber auch keine Furcht oder Hass - vielleicht sogar ein wenig Neugier? Jedenfalls bemerkte er den unangenehmen Unterton in der Stimme des Junkers und versuchte erst einmal, einen positiven Aspekt aufzugreifen. “Nun, es hat ja erst einmal etwas Gutes, die Familie um sich zu haben. Und ein Panzerschreiter?” Man hörte dem Geweihten durchaus ein gewisses Erstaunen an. “Respekt! Das ist eine große Leistung.” Gerion nahm einen Schluck Wasser aus dem anderen Becher und fuhr fort. “Der Ork hat Euch und den drei Druiden also dabei geholfen?” Ihm schienen die Zusammenhänge noch nicht ganz klar geworden zu sein. “Das erscheint mir jedenfalls eine gute Grundlage für ein besseres Kennenlernen zu sein.” stellte er in den Raum und ergänzt: “Ich spreche, auch wenn ich selbst noch keinem Orken begegnet bin, sogar ein wenig Orkisch, falls eine Verständigung daran scheitern sollte.” Bei diesen Worten war Gerion anscheinend für einen kurzen Moment eine schöne Erinnerung gegenwärtig. “Vielleicht kann dieser Silberne Wanderer, mir sagt der Begriff leider nichts genaues, ja tatsächlich gemeinsam überwunden werden.” Er warf einen Blick auf Sayalana und hoffte auf zustimmend-mäßigende Worte auch von ihrer Seite.
“Der Silberne Wanderer wurde zerstört”, offenbarte der Junker nicht ohne Stolz. “Das Wolfsrudel des Schamanen führte uns durch den Wald zum Versteck des Schreiters, einer Art Bau unter einem dämonisch pervertierten Baum. Mein Vater erklärte mir später, nachdem alles vorbei war, dass Baum und Schreiter so etwas wie eine Gemeinschaft bildeten. Beide gehörten zum Schänder der Elemente.” Abscheu, ja Hass blitzte in den Augen des Angroschos auf. Seine Miene wirkte kurzzeitig wie versteinert. “Reinigendes Feuer tilgte sie aus dieser Welt, Angrosch sei Dank!”
Als Cendrasch den Schänder der Elemente erwähnte, verdüsterte sich die Miene des Geweihten. “Mit so einem verderbten Baum habe ich auch schon zu tun gehabt. Es ist gut, dass Ihr einen davon vernichtet habt.” Dann schlich sich eine gewisse Verwirrung in seine Züge. “Wenn Ihr aber nun diese widerliche Pflanze, diesen Wanderer, der sie bewohnt hat und sogar noch einen Panzerschreiter zusammen besiegt habt, welch’ noch größere Bedrohung ist denn nun noch übrig?” fragte er mit einer leisen Ehrfurcht vor der Größe der Bedrohung in der Stimme.
Sayalana hatte sich bewusst erstmal zurückgehalten, damit Cendrasch und Gerion Gelegenheit hatten sich ebenfalls kennenzulernen. Sie schmunzelte, weil der kontaktfreudige und offene Ifirngeweihte und der für das kleine Volk erstaunlich aufgeschlossene Zwerg so gut ins Gespräch kamen. Saya selbst war nie hoch im Norden gewesen, sie kannte Schamanen nur aus den Dschungeln des Südens, was aber hier keine Rolle spielen dürfte. “Einern Orkschamanen habe ich noch nie getroffen”, stieg sie mit leiser, nachdenklicher Stimme wieder in das Gespräch ein. “Mir war nicht mal klar, das die Schwarzpelze so etwas haben. Bisher hatte ich wenn, dann mit den Priestern ihrer Götzen zu tun.” Saya verwendete absichtlich nicht das Wort Götter, es war zu beunruhigend, was in dieser Hinsicht in den letzten Jahren geschah. “Von einem Tairach- oder Brazoraghanbeter hätte ich sicher keine Hilfe erwartet. Es macht mich also eher neugierig, was diesen Ork dazu antreibt, sich auf unsere Seite zu stellen. Vor allem, was tut er hier allein? Für gewöhnlich treten sie doch in Gruppen auf. Und ja, ich schließe mich Gerions Frage an, wenn ihr diese wirklich große Bedrohung bereits besiegt habt, was gibt es da noch?”
Der Ifirngeweihte nickte bedächtig zu Sayalanas Worten, denn es waren vernünftige Gedanken. Mit ihrer letzten Frage richtet er nun einen neugierigen Blick in Richtung des Angroscho - er hatte gedacht, dass die Phexgeweihte bereits Kenntnis gesetzt wäre. Cendrasch zuckte mit den massigen Schultern. “Genau weiß ich das nicht einmal”, gestand er. “Mein Vater meinte, er sei sehr alt für einen Schwarzpelz und sei wohl aus seinem Stamm ausgestoßen worden. Er war am Zug der Orks gegen Gloranas Reich beteiligt und wurde nach dem Fall der Eisigen vor die Wahl gestellt, Tod oder Verbannung. Ist wohl längere Zeit durch den Rahja des Reiches gezogen und hat hier eine neue Aufgabe gefunden- er dient dem Land und…”, der Junker schüttelte den Kopf und schnaubte ungläubig, “wie er sagt auch dem Weißen Jäger.”
”Dem Weißen Jäger?” meinte Gerion fragend. “Nun, ich finde es ja immer gut, wenn auch Angehörigen anderer Völker das Geschenk zuteil wird, die Zwölfe und ihre Kinder zu erkennen und ihrem Weg zu folgen.” Er zuckte ein wenig mit den Schultern. “Bei einem Schamanen der Orks überrascht es mich nun doch ein wenig, aber so wie ihr es erzählt, sagt mein Gefühl, dass er es sicher auch so gemeint hat.” Der Geweihte zog fragend die linke Augenbraue ein wenig nach oben. “Ich habe auch gehört, dass Orks beim Sieg gegen die Eishexe eine Rolle gespielt haben. Aber ansonsten hat in der Geschichte, wie ich sie gehört habe, der Alte vom Berge seine Macht verliehen, um ihren endgültigen Sturz herbeizuführen. Aber vielleicht hing das ja auch irgendwie zusammen?” Kurz abgelenkt durch die Informationen über den Orken kehrt Gerions Interesse dann wieder zum Ausgangspunkt zurück: “Ihr kennt also die Bedrohung noch nicht genau, aber wir werden die Hilfe eines orkischen Schamanen benötigen, um ihrer Herr zu werden?”
“Ich denke, ihr missversteht mich”, entgegnete der Junker auf Gerions Frage hin. “Im Moment ist mir keine einzelne Bedrohung bekannt, die ich euch nennen könnte. Es ist vielmehr der Wald selbst, der sich immer noch gegen uns wendet und die Tiere, die darin leben, die zum Teil tollwütig und wider ihre Natur Wanderer angreifen, verletzen oder gar töten. Es ist Angroschs Widersacher, dessen Wirken es zu bekämpfen gilt.”
“Definitiv. Diese bösartigen Veränderungen des Landes sind die Pest und müssen beseitigt werden.” stimmte Saya nickend zu. “Aber leider haben wir dafür keine schnelle und durchschlagende Möglichkeit.” Sie seufzte. “Es gibt leider keinen göttlichen Segen, der das Land von der dämonischen Pervertierung heilt.”
“Achso.” Gerion sah nachdenklich aus. “Das ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, den Wald selbst zu heilen.” Der Geweihte blickte in Richtung der zwölfgöttlichen Glaubensschwester und ergänzte: “Wenn es um Ackerland geht, so wären sicher die Brüder und Schwestern der Kirche der Herrin Peraine eine große Hilfe. Allerdings dürfte das in einem Wald nicht ganz einfach werden und derzeit sind diejenigen, die ich kenne schon intensiv mit Ackerland beschäftigt, das dringend für die Ernährung der tobrischen Bevölkerung benötigt wird.” Dann hatte er anscheinend einen Einfall und wandte mit motivierter Stimmlage wieder in Richtung des Junkers: “Allerdings habt ihr doch nun schon drei Druiden hier. Ich habe eine ähnliche Konstellation in der Nähe des neuen Klosters vom Dreischwesternorden kennengelernt. Dort sind die Druiden, ich glaube schon vor sehr langer Zeit, eine Verbindung mit dem Land eingegangen und haben es gemeinsam mit Bewohnern des Waldes lange beschützt.” Seine Stimme wurde wieder härter. “Bis jemand versucht hat, dieses Band zu pervertieren. Wir konnten Ifirn und ihres Grimmen Vaters’ Segen sei Dank verhindern, dass die Verseuchung um sich greift.” Der Diener der milden Göttin nickt nachdrücklich. “Und vielleicht könnte soetwas auch hier möglich sein.” Sein Tonfall wurde etwas vorsichtiger: “Ich meine, ihr habt ja nun bereits drei Druiden hier und auch der unsägliche Baumdämon ist hoffentlich zur Gänze vernichtet. Und sogar ein Diener des Alten vom Berge könnte uns vielleicht helfen, den Wald auf den langen Pfad der Heilung zu senden. Wie gut…” Gerion scheint nach einem geeigneten Wort zu suchen. “…kennt Ihr Euren Wald denn schon?”
Cendrasch rümpfte die Nase und kratzte sich zugleich nachdenklich den rasierten Kopf. “Nun”, begann er vorsichtig. “Ich kann mich entlang der Pfade, die wir mit Runen in der Rinde von markanten Bäumen gekennzeichnet haben, zurechtfinden und so alle für mich relevanten Orte Eisentanns erreichen. Außerdem habe ich von meinem Vater gewisse Grundlagen, wie Orientierung anhand von Moos an Stämmen und die Spuren der bedeutendsten Waldbewohner, gelernt. Ein Waidmann bin ich damit aber noch lange nicht.” Er zuckte erneut mit den Schultern. “Ich habe gelernt, mich auf die zu verlassen, denen ich mein Vertrauen schenke. Unter den Bewohnern von Waidbruch sind auch zwei Jäger: Eberrecht und Lenja. Sie sind meine Augen und Ohren da draußen. Sie halten auch losen Kontakt zu den Druiden und meinem Vater.
Es ist ja nicht so, dass wir die Jagd auf die pervertierten Tiere nicht schon begonnen hätten. Aber…”, der Junker presste die Lippen aufeinander und wirkte beschämt, “...wir werden dieser Plage einfach nicht Herr. Es scheint da draußen immer noch Brutstätten zu geben. Mein Vater spricht von Pfuhlen. Sie müssen wir finden und ‘trockenlegen’.”
Das Cendrasch befürchtete, dass die unter dem Waldboden von Eisentann lagernden Mengen von Unmetall dafür sorgten, dass jene Pfuhle entstanden und sie damit auch nur Folge und mitnichten Ursache waren, verschwieg er. Sayalana kannte das Geheimnis von Eisentann. Sie würde diesen Schluss in Betracht ziehen, da war sich Cendrasch ziemlich sicher. Letztlich war dies aber auch nicht entscheidend für den Zwergen. Er würde jede Hilfe, die er bekommen konnte, dankend annehmen und es war ja nicht so, dass die Mühen des Geweihten der Schwanengleichen vergebens sein würden.
“Mmmh” Saya brummte in ihren nicht vorhandenen Bart. “Jedenfalls klingt mir das nicht nach einem Problem, was sich in einem Sessel sitzend mit Nachdenken allein lösen lässt. Wahrscheinlich ist es wirklich am Schlauesten mit den Druiden direkt zu sprechen und sich ein Bild von der Lage zu machen. Und vielleicht können sie mit deinem Bericht über dieses Druiden-Wald-Bündnis ja was anfangen.” sie lächelte in Gerions Richtung.
”Tja, also bei der Jagd auf die verderbten Bestien kann ich natürlich gerne helfen.” bot der Geweihte nickend an. “Und wenn die Druiden vielleicht etwas darüber wissen, wo die Bedrohung verursacht wird, sollten wir wohl tatsächlich mit ihnen sprechen.” Gerion bemerkte nicht, dass die beiden vielleicht etwas über die Verderbnis verschwiegen. “Ich denke, dann wird der Tag morgen bestimmt in aller Frühe beginnen. Was das Bündnis zwischen Druiden und Wald angeht, so will ich den Druiden und Euch gerne darüber berichten. Ich bitte Euch aber darum, die Details nicht einfach so weiterzugeben. Mir scheint, dass die Waldbewohner damit nur ungerne hausieren gehen und ich möchte sie im Zweifel nicht damit vor den Kopf stoßen, dass ich ihre Angelegenheiten wie ein Wildfeuer weiterverbreitet habe.” Er wandte sich wieder in Richtung Cendrasch: “Habt Ihr denn eine Möglichkeit, die nächste Unterredung zügig herbeizuführen oder müssen wir auf einen vereinbarten Zeitpunkt warten?”
“Wir werden warten müssen”, gestand der Junker. “Ich halte die andere Möglichkeit, tagelang ziellos durch den Wald zu irren und darauf zu hoffen, einen von ihnen anzutreffen, für weniger zielführend." Cendrasch schüttelte den Kopf. Er war Herr des Eisentanns und hatte dennoch keinen direkten Zugriff auf die hier lebenden Druiden, nicht einmal zu seinem Vater. Er schnaubte sichtlich amüsiert.
“Ich kenne jemanden, der losen Kontakt zu ihnen pflegt. Ich werde um ein Treffen bitten, mehr kann ich leider nicht tun. Aber das heißt ja nicht, dass ihr euch nicht umsehen könnt im Eisentann. Ich lasse euch ein Zimmer herrichten und mache euch morgen mit der näheren Umgebung, dem Dorf und den wichtigen Leuten bekannt. Ich bin über jede Hilfe dankbar.” Der Junker schenkte dem Geweihten ein ehrliches, offenes Lächeln. “Was meint ihr?” Ein zurückhaltendes Lächeln schleicht sich bei Cendraschs Worten auf Gerions Gesicht - ihm kam die Situation des Junkers offensichtlich bekannt vor. Auf Cendraschs Frage antwortete er mit einem nachdrücklichen: “Ich bin dabei.” Um dann zu ergänzen: “Die nähere Umgebung des Dorfes und die Bewohner kennenzulernen ist sicher ein guter Anfang. Und vielleicht können wir ja einen dieser Pfuhle im Wald in den nächsten Tagen finden und dann ordentlich trockenlegen.”